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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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am Summen der Fliegen. Normalerweise waren es mit farbigem Garn zusammengebundene Hühnerteile. Einmal auch der Kopf einer -285—Ziege, wie Shaquille meinte. Er sagte, die Leute, die das Zeug dort hinlegten, seien Drogenhändler, und sie täten es, weil es ihre Religion sei. Laney und die anderen trugen blaßgrüne Latexhandschuhe mit orangefarbenen Fingerhütchen aus Kevlar, von denen man Hitze-Ausschlag bekam. Sie steckten die Opfergaben in einen weißen Eimer mit Klappdeckel und abblätternden Biorisiko-Aufklebern. Shaquille hatte behauptet, die Namen einiger Götter zu kennen, denen diese Sachen geopfert wurden, aber Laney war nicht drauf reingefallen. Die Namen, die Shaquille sich ausgedacht hatte, O’Gunn und Sam Eddy, waren offensichtlich reine Phantasienamen, und selbst Shaquille, der gerade eine weiße Kugel aus Hühnerfedern in den Eimer warf, hatte gesagt, der eine oder andere zusätzliche Anwalt wäre wahrscheinlich eine bessere Investition. »Aber das machen sie, während sie warten. Um auf Nummer sicher zu gehen.« Laney hatte diesen Job Arbeitseinsätzen in Fastfood-Läden vorgezogen, obwohl es bedeutete, daß sie bei der Rückkehr nach Drogen durchsucht wurden.
    Er hatte Yamasaki und Blackwell erzählt, er habe gewußt, daß Alison Shires versuchen würde, Selbstmord zu begehen, und jetzt mußten sie denken, daß er in die Zukunft sehen konnte. Aber er wußte, daß das nicht stimmte. Das wäre so, als würden die von den Dealern bei der Gerichtstreppe versteckten Hühnerteile etwas daran ändern, was passieren würde. Was in der Zukunft geschah, ergab sich aus dem, was jetzt geschah.
    Laney wußte, daß er es nicht vorhersagen konnte, und etwas an seiner Erfahrung mit den Knotenpunkten ließ ihn vermuten, daß niemand es konnte. Die Knotenpunkte schienen sich zu bilden, wenn möglicherweise eine Veränderung bevorstand.
    Dann sah er einen Ort, an dem die Veränderung höchstwahrscheinlich eintreten würde, falls etwas sie auslöste.
    Vielleicht etwas so Unbedeutendes wie Alison Shires’ Kauf der Klingen für einen Kartonöffner. Doch wenn es in dieser Nacht ein Erdbeben gegeben hätte und ihre Wohnung auf die -286—Fountain Avenue hinuntergestürzt wäre … Oder wenn sie die Klingenpackung verloren hätte … Wenn sie hingegen diese Wednesday Night Special mit ihrer Kreditkarte gekauft hätte, was nicht gegangen wäre, weil sie illegal war und bar bezahlt werden mußte, dann wäre für jeden klar ersichtlich gewesen, was sie womöglich vorhatte.
    Arleigh machte die Beifahrertür auf. »Alles in Ordnung?«
    »Ja«, sagte Laney und nahm den Datenhelm zur Hand.
    »Bestimmt?«
    »Dann wollen wir mal.« Er sah den Helm an.
    »Liegt ganz bei Ihnen.« Sie legte ihm die Hand auf den Arm.
    »Hinterher holen wir Ihnen einen Arzt, okay?«
    »Danke«, sagte Laney und setzte den Helm auf, und der Geschmack strömte in seinen Mund …
    Die durchscheinenden, auf komplizierte Weise vom Archiv der Fanbasis der Band durchdrungenen Lo/Rez-Daten wimmelten von neuen Texturen, die sich, als er sich auf die Oberflächen konzentrierte, auflösten zu …
    Shaquille in seinem Pullover aus dem staatlichen Kleiderfundus, wie er Laney den Ziegenkopf zeigte. Er war abgehäutet worden, und man hatte Nägel hineingetrieben, und Shaquille hatte den Kiefer aufgestemmt, um ihnen zu zeigen, daß die fehlende Zunge durch ein braunes, blutgetränktes Stück Papier ersetzt worden war, auf dem etwas geschrieben stand.
    Das sei vermutlich der Name des Staatsanwalts, hatte Shaquille erklärt.
    Laney schloß die Augen, aber das Bild wollte nicht weichen.
    Er schlug sie auf und sah die Idoru. Pelz umrahmte ihr Gesicht. Sie blickte ihn an. Sie trug eine bestickte Mütze mit Pelzbesatz und Ohrenklappen, und Schnee wirbelte um sie herum, aber dann wurde sie flach, schrumpfte in die Texture-Maps, die sich durchs Datenriff hinabzogen, und er ließ sich -287—fallen, ließ sich mitziehen und spürte, wie er den Kern, das Zentrum passierte und auf der anderen Seite wieder herauskam.
    »Warte …« sagte er und hatte das Gefühl, daß er seine Stimme erst nach einiger Verzögerung hörte.
    »Perspektive«, sagte die Idoru, »Yamasakis Parallaxe.«
    Etwas schien ihn umzudrehen, so daß er direkt auf die Daten schaute, aber aus einem neuen Winkel und aus großer Distanz.
    Und überall drum herum war … nichts.
    Aber durch die Daten, die wie eine unendlich komplexere Version von Arleighs Realtree aussahen, liefen zwei halbwegs parallele, bewehrte

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