Idoru
sagte Eddie, »du weißt, ich bin mir im klaren, was du alles für mich getan hast, was du zu meiner Karriere beigetragen hast. Das vergesse ich nie, Baby, glaub mir, keine Sekunde, und das ist alles ein Mißverständnis, Baby, nur ’ne holprige Stelle auf der Straße des Lebens, und wenn du bloß diese verdammte Knarre weglegen und ’n schönes Glas trinken würdest wie ein zivilisierter Mensch …«
»Halt dein beschissenes Maul!« schrie Maryalice aus vollem Halse, und die Worte gingen alle ineinander über.
Eddies Mund klappte zu wie bei einer Marionette.
»Sieben verdammte Jahre«, sagte Maryalice, und es klang wie eine kindliche Beschwörungsformel, »sieben verdammte Jahre, und zwei davon hier, Eddie, und dann diese ewige beschissene Hin-und Herfliegerei für dich, Eddie. Und immer so hell hier …« Tränen kamen und verschmierten Maryalices Make-up. »Überall. Ich konnte nicht schlafen wegen dem ganzen Licht, wie ein Nebel über der Stadt … Los, ins Badezimmer.« Maryalice trat einen Schritt vor, Eddie und der Russe traten einen zurück.
Chia streckte die Hand aus und hob die Betäubungspistole auf. Sie wußte nicht genau, warum. Das Ding hatte an einem Ende zwei stumpfe Chromzähne und an einer Kante einen roten, geriffelten Knopf. Sie war überrascht, wie wenig es wog.
Sie dachte an die Apparate, die die Jungs an ihrer Schule aus diesen Einwegkameras gemacht hatten.
»Und es findet mich immer, dieses Licht«, sagte Maryalice.
»Immer. Ganz egal, was ich trinke, was ich sonst noch nehme.
Es findet mich und weckt mich auf. Es ist wie Pulver, es weht unter der Tür durch. Man kann nichts dagegen machen. Geht einem in die Augen. Und dieses helle Licht, das von oben runterkommt …« Eddie war schon halb durch die Tür, der Russe hinter ihm ganz im Badezimmer drin, und das gefiel Chia nicht, weil sie die Hände des Russen nicht sehen konnte.
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Sie hörte, wie das dezente Vogelgezwitscher losging, als das Badezimmer den Russen wahrnahm. »Und du hast mich da hingebracht, Eddie. In dieses Shinjuku. Du hast mich da hingebracht, wo dieses Licht an mich rangekommen ist, und ich konnte nicht weg.« Und dann zog Maryalice den Abzug durch.
Eddie schrie, ein merkwürdiger, schriller Laut, der von den schwarzweißen Fliesen widerhallte. Er mußte das Klicken des Feuerzeugs übertönt haben, das nicht einmal eine Flamme hervorgebracht hatte.
Maryalice geriet nicht in Panik.
Sie zielte weiter auf ihn und zog den Abzug in aller Ruhe ein zweites Mal durch.
Diesmal kam eine Flamme, aber Eddie wischte das Feuerzeug mit einem Wutgeheul beiseite, packte Maryalice am Hals und fing an, sie mit der Faust ins Gesicht zu schlagen. Das Geheul wurde zu einem »Miststück! Miststück! Miststück!«, synchron mit jedem Schlag.
Und da kam Chia von dort hoch, wo sie so lange gesessen hatte, ohne wirklich darüber nachzudenken, daß ihr die Beine eingeschlafen waren und den Dienst versagten, wie sie merkte, so daß sie ihren Sprung erst in eine und dann in eine zweite Rolle verwandeln mußte, ehe sie die Chromspitzen der Betäubungspistole an Eddies Knöchel halten und auf den roten Knopf drücken konnte.
Sie war sich nicht sicher, ob sie an einem Knöchel oder durch seine Socke hindurch funktionieren würde. Aber das tat sie.
Vielleicht, weil Eddie sehr dünne Socken trug.
Aber sie erwischte auch Maryalice, so daß sie gemeinsam zusammenzuzucken schienen und einander in die Arme sanken.
Und der dunkle Fleck, der in diesem Moment an Chia vorbeiflog, war Masahiko, der die Tür vor dem Russen zuzog, -281—
den Türknauf mit beiden Händen packte und hochsprang, einen Fuß im Papierpantoffel gegen die Wand, den anderen gegen die Tür stemmte und dort hängenblieb. »Lauf«, sagte er und spannte Arme und Beine an. Dann rutschten seine Hände von dem runden Chromknauf ab, und er landete auf dem Hintern.
Chia sah, wie der Knauf sich zu drehen begann.
Sie setzte die Zähne der Betäubungspistole an den Türknauf und drückte auf den Knopf. Und ließ nicht mehr los.
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37 Arbeitseinsatz
L aney saß wieder vorn auf dem Beifahrersitz des Van, hatte den Datenhelm auf dem Schoß und wartete darauf, daß Arleigh Kuwayamas graues Modul anschloß. Er schaute durch die Windschutzscheibe auf die Betonwand. Die Seite tat ihm jetzt nicht mehr so weh, aber nach der Zusammenkunft mit Kuwayama und der Idoru und dem Gespräch unter vier Augen mit Yamasaki im Van war seine Verwirrung größer denn je.
Wenn Rez und Rei Toei
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