Idoru
Stränge. Rez und die Idoru. Sie waren an der Zeitachse entlang plastisch geformt; jener von Rez begann am fernen Ende als etwas ganz Kleines, die ersten Spuren seiner Karriere. Und wuchs in seinem Verlauf zu etwas Geflochtenem mit vielen Strängen … Doch dann begann er wieder kleiner zu werden, wie Laney sah, und die Stränge lösten sich … Und das war vermutlich der Punkt, dachte er, an dem der Sänger das zu werden begann, was Kathy haßte, eine Person, die Prominenzraum einnahm, weil sie einfach prominent war, weil sie einen gewissen Grad an Bedeutung besaß …
Die Daten der Idoru begannen irgendwo danach. Anfangs waren sie etwas Glattes und Durchdachtes, dem es jedoch an Komplexität mangelte. Aber er sah, daß sie an den Stellen, wo sie am dichtesten zu Rez’ Daten abgeschwenkt waren, eine Art Komplexität angenommen hatten. Oder auch Zufälligkeit, dachte er. Das menschliche Element. So lernte sie.
Und diese bewehrten Stränge, diese Skulpturen in der Zeit waren beide nodal und wurden noch nodaler, je mehr sie sich der Gegenwart näherten, der Stelle, wo sie sich miteinander verflochten …
Er stand neben der Idoru an dem Strand, den er auf der Aufnahme des Fernglases im Schlafzimmer des Gästehauses in -288—Irland gesehen hatte. Bräunlich-grünes, von Schaumkronen getüpfeltes Meer, ein steifer Wind, der sich in den Ohrenklappen ihrer Mütze fing. Er spürte diesen Wind nicht, aber er hörte ihn; er war jetzt so laut, daß er Schwierigkeiten hatte, sie zu verstehen. »Kannst du sie sehen?« rief sie.
»Was denn?«
»Die Wolkengesichter! Die Knotenpunkte! Ich sehe nichts!
Du mußt sie mir zeigen!«
Und weg war sie, und das Meer mit ihr, und Laney starrte wieder in die Daten, in denen sich die digitalisierten Geschichten von Rez und Rei auf der Schwelle zu etwas anderem vermischten. Ob die Kartonöffnerklinge wohl aus Alison Shires’ Knotenpunkt hervorgetreten wäre, wenn er sich in Los Angeles angestrengt hätte?
Er strengte sich an.
Er schaute auf eine verschwommene, unbestimmbare weiße Ebene hinaus. Kein Schnee. Und sah ein riesiges Paar reich verzierter Cowboystiefel, braun in braun, vor einem Hintergrund aus grellem Pink vorbeigehen, der wie eine Steilwand aufragte. Dann war das Bild verschwunden, und Laney sah statt dessen ein rotierendes dreidimensionales Objekt, aber er hatte keine Ahnung, was das sein sollte. Ohne jeden Hinweis auf seine Größe sah es in etwa wie ein Bus aus Los Angeles aus, dem man die Räder abmontiert hatte.
»Suite 17«, sagte die Idoru. »Hotel Di.«
»Die? Wie ›stirb‹?« Der Bus verschwand und nahm die Stiefel anscheinend mit.
»Was ist ein ›Liebeshotel‹?«
»Was?«
»Ein Liebeshotel.«
»Wohin man geht, um Liebe zu machen – glaube ich …«
»Was ist ein ›primäres biomolekulares Rodel-van-Erp-
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Programmiermodul C-Schrägstrich-7A‹?«
»Keine Ahnung«, sagte Laney.
»Aber du hast es mir gerade gezeigt! Es ist unsere Vereinigung, unser Schnittpunkt, von dem aus sich alles übrige entfalten muß!«
»Moment«, sagte Laney, »Moment, du hast da noch was; das überlappt sich irgendwie …« Seine Seite schmerzte von der Anstrengung, aber in der Ferne waren Hügel, verdrehte Bäume, die niedrige Dachlinie eines Holzhauses …
Aber die Idoru war verschwunden, und das Haus, das von innen heraus zerfressen wurde, sank schimmernd in sich zusammen. Und dann ein kurzer, flüchtiger Eindruck von etwas hoch Aufragendem, von nicht zueinander passenden Fenstern und einem sich verzerrenden, moirierten Himmel.
Dann nahm Arleigh ihm den Datenhelm ab. »Hören Sie auf zu schreien«, sagte sie. Yamasaki war neben ihr. »Hören Sie auf, Laney.«
Er holte lange und zittrig Luft, stützte die flachen Hände auf die gepolsterte Abdeckung des Armaturenbretts und schloß die Augen. Er spürte Arleighs Hand an seinem Hals.
»Wir müssen hin«, sagte er.
»Wohin?«
»Suite 17 … Wir kommen zu spät zur Hochzeit …«
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A ls die Betäubungspistole aufhörte, das britzelnde Geräusch zu machen, ließ Chia sie fallen. Der Türknauf drehte sich nicht. Kein Laut aus dem Badezimmer, nur die leisen, aufgezeichneten Schreie tropischer Vögel. Sie wirbelte herum.
Masahiko versuchte gerade, seinen Computer in den karierten Beutel zu stecken. Sie war mit einem Satz bei ihrem Sandbenders, an dem noch immer ihre Datenbrille baumelte, ergriff ihn und drehte sich zu dem pinkfarbenen Bett um. Ihre Tasche stand daneben auf dem Fußboden, und die
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