Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
Münchner Polizeipräsidium, ausgelöst durch einen heißgelaufenen Laptop, den Hauptkommissar Georg Ohnmus in eine Plastiktüte gepackt hatte, weil er ihn mit nach Hause nehmen wollte, dann aber vergessen hatte, mußten die Räume des Kommissariats 111 monatelang renoviert werden. Aus einem Grund, der nie ganz geklärt wurde – Ohnmus behauptete, er habe das Gerät ausgeschaltet –, hatte sich das Plastik erhitzt; von dem mit Papieren übersäten Schreibtisch hatten die Flammen auf die Lamellenvorhänge und weiter auf die alten Holzschränke und Regale übergegriffen. Wahrscheinlich hatte Ohnmus – oder jemand anderes, nachdem der Kommissar das Dezernat verlassen hatte – ein schweres Buch auf die defekte, nicht mehr einrastende Abdeckung des Laptops gelegt, wodurch der Einschaltknopf gedrückt wurde; ein entsprechender Test bestätigte später diese Vermutung.
    Um ihre Arbeit so schnell wie möglich fortsetzen zu können, beschloß Polizeipräsident Dr. Veit Linhard in Absprache mit dem Innenminister, die Mordkommission vorübergehend außerhalb des Hauptgebäudes an der Löwengrube unterzubringen. Durch seine guten Kontakte ins Rathaus erfuhr Linhard von einem Anwesen in der Burgstraße, das der Stadt gehörte und aufgrund einer festgefahrenen Diskussion über die Art der künftigen Nutzung seit zwei Jahren leerstand. Es handelte sich um das aus dem sechzehnten Jahrhundert stammende, an der ältesten Stadtmauer gelegene ehemalige herzogliche Falkenhaus, dessen Eingang, von einem schmiedeeisernen Tor verdeckt, in einer abschüssigen Gewölbegasse lag. Ein mittelalterliches Gebäude, das eine Zeitlang als Braustätte und seit Anfang des neunzehnten Jahrhunderts als Verarbeitungsort für das bei Hofjagden erlegte Wild gedient hatte, ergänzte das historische Ensemble. In diesem Hofzerwirkgewölbe fanden regelmäßig kulturelle Veranstaltungen statt, von deren Dezibelintensität auch die benachbarte Mordkommission ein Lied singen konnte.
    »Warum rufst du nicht endlich deinen Freund an, den Oberbürgermeister, und beschwerst dich im Namen von uns allen über den Krach?« sagte Ohnmus.
    »Er ist nicht mein Freund«, sagte Silvester Weningstedt, die Hand unter dem Sakko.
    »In meinem Namen beschwerst du dich aber nicht!« sagte Liz Sinkel. Sie hatte sich gegenüber von Fischer gesetzt, um ihn besser beobachten zu können.
    »Ich beschwer mich bei niemandem. Was ist jetzt mit der Namensliste?«
    »Gleich.« Hauptkommissar Neidhard Moll saß am Kopfende des vier Meter langen englischen Tisches aus Kirschbaumholz und sortierte Blätter.
    »Steht im Protokoll etwas Neues über die Auffindung der Leiche?« fragte Weningstedt. Wenn er seiner Frau von dem unangenehmen Zerren in der Brust erzählte, würde sie ihm seine Handschellen anlegen und ihn zu Dr. Meisner schleifen, und Gabi würde ihm die Elektroden auf die Brust pappen, und das EKG würde keine besorgniserregenden Ergebnisse liefern, wie so oft, auch wenn Gabi den Vorgang wiederholte, nachdem er fünfmal im Treppenhaus auf und ab gelaufen war.
    Esther Barbarov und Micha Schell hatten noch keine Zeit gehabt, ihren Bericht auf orthographische Fehler hin zu korrigieren und zu vervielfältigen. Zwei Stunden hatte die of- fizielle Vernehmung der jungen Zeugen in der Burgstraße gedauert, weil die Vierzehnjährigen lieber das alte Haus auskundschaften wollten, als Fragen zu beantworten. »Coole Hütte«, meinte der eine am Ende. »Absolut spacy«, urteilte der andere. Und als sie endlich redeten, verstand man kein Wort, weil sie sich ständig gegenseitig unterbrachen.
    »Sie haben Fußball gespielt, das wißt ihr«, sagte Hauptkommissarin Barbarov. »Das machen sie gelegentlich da unten, wenn’s regnet, ist natürlich nicht erlaubt. Der Ball knallte gegen das Metallgitter, und die eine Hälfte der Tür sprang auf.«
    »Der Riegel des Schlosses ist vom Haken gesprungen«, ergänzte Oberkommissar Schell. »Es war nicht abgesperrt, jemand hat den Riegel einfach drübergeschoben.«
    »Die Jungs sind dann hin und wollten die Tür wieder zumachen und weiterspielen. Dann wurden sie neugierig.«
    Unter den Blicken von Liz Sinkel beugte sich Fischer vor, die Hände gefaltet auf dem Tisch.
    »Das bedeutet, die Tür ist zum erstenmal aufgegangen, als der Ball dagegenflog.«
    »So lautet ihre Aussage.«
    »Sie werden aber schon öfter dagegengeschossen haben.«
    »Klar«, sagte Schell. »Das ist das ideale Tor.«
    »Bisher war das Schloß also abgesperrt«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher