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Idylle der Hyänen

Idylle der Hyänen

Titel: Idylle der Hyänen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Fischer.
    »Wir haben die Jungs gefragt, sie wissen es nicht.« Schell suchte eine bestimmte Stelle auf dem Papier, das er vor sich liegen hatte. »Nein, sie haben beide bestätigt, daß sie das Schloß nie näher untersucht haben. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß bisher immer abgesperrt war.«
    »Und der Täter hat das Schloß geknackt.« Fischer sah zu Liz hinüber. Vor Schreck wandte sie den Kopf ab, und Fischer lächelte.
    »Oder er hatte einen Schlüssel«, sagte Weningstedt.
    Neidhard Moll räusperte sich, bevor er sprach.
    Das tat er immer. »Die Liste der befragten Bewohner ist noch unvollständig. Die Namen, die ihr von den Klingelschildern abgeschrieben habt, habe ich inzwischen überprüft, zwei waren Treffer: Einbrüche, Körperverletzung. Walter und ich fahren nach unserer Besprechung noch mal hin. Dreizehn Zuordnungen fehlen mir noch, die Namen stehen zwar unten an der Klingel, aber nicht an den Wohnungstüren, darunter vier Frauen. Wir können also immer noch nicht ausschließen, daß die Tote auch in dem Haus gelebt hat, obwohl keiner der Mieter sie gekannt hat. Bei der Hausverwaltung habe ich niemanden erreicht, die muß uns morgen früh sagen, zu welcher Wohnung der Stellplatz gehört, dann können wir den ersten Nagel ins Brett schlagen. Der Name Franz Wohlfahrt…« – er nickte Fischer zu – »… taucht bei uns nicht auf. Er wohnt tatsächlich in dem Haus, das hab ich pro forma überprüft, ihr habt ihn nicht angetroffen, also kann die Aussage des Mieters…« Er suchte in seinen Papieren.
    »Brug, Jossi«, sagte Liz.
    »Danke. Seine Aussage kann demnach stimmen, daß Wohlfahrt verreist ist, wohin, wissen wir noch nicht. Aber, wie gesagt, wir haben noch ein paar andere Unbekannte auf der Liste.« Unvermittelt sah er auf seine Uhr. »Die Zeitungen sind seit drei Stunden raus.«
    Gegen neunzehn Uhr erschienen die Abendausgaben von drei Münchner Tageszeitungen; die Lokalseiten brachten ein Foto der Toten mit einem Zeugenaufruf der Kripo.
    »Keine Tasche, kein Hinweis auf ihre Identität«, sagte Georg Ohnmus. Er neigte dazu, sich auf Stichwörter zu konzentrieren, zumindest in Dienstbesprechungen; bei langen Sätzen – so redete er sich ein – gehe ihm der Atem aus.
    »Versteck im Schrank. Alles geplant.«
    »Schonschon«, sagte Liz Sinkel. Mit großer Anstrengung gelang es ihr, Fischer nicht anzusehen und nur die übrigen Kollegen im Blick zu behalten. »Warum hat er dann das Schloß nicht verriegelt? Sprechen wir überhaupt von einem männlichen Täter?«
    »Ja«, sagte Fischer.
    Mit zerfurchter Stirn sah Liz ihren Chef an.
    »Intuition«, sagte Fischer. »Wir gehen davon aus, daß die Frau erhängt wurde.« Nach einer kurzen Pause sagte er: »Ja?«
    Zwanghaft starrte sie auf seine rote Krawatte. Er lächelte über ihren Blick hinweg. »Laut Dr. Dornkamm«, sagte sie.
    »Wir schließen nichts aus, aber ich gehe von einem oder mehreren männlichen Tätern aus. Und Georg hat recht: Es war eine geplante Tat. Jemand wußte, daß es diesen verriegelten Stellplatz gibt, jemand hatte Zugang zum Schlüssel, oder er hat das Schloß aufgebrochen, wir wissen es nicht; das Schloß, das an dem Riegel hing, ist verschwunden. Die Tote wurde in den Keller transportiert. Wie? Für die Zufahrt von der Straße braucht man einen Wohnungsschlüssel, jeder paßt. Hörst du mir zu, Liz?«
    Sie zupfte an dem blauen Silikonband an ihrem Handgelenk. »Ja«, sagte sie. Sie hatte an ihren Freund denken müssen, und die Gedanken, die ihr lästig waren, hörten nicht auf. »Ja«, wiederholte sie und dachte: Du hast mich betrogen, und du denkst, wenn du mir so ein dämliches Band schenkst, merk ich’s nicht!
    »Stunde Null«, sagte Fischer. »Hatten wir schon lange nicht mehr. Wir wissen nichts. Die Frau ist uns vollkommen unbekannt. Sie ist der Kern, das Zentrum der Dunkelheit. Wir wissen, wie die Frau gestorben ist, sogar wann, ungefähr, vor eineinhalb Tagen. An den Rändern der Dunkelheit erkennen wir nicht den geringsten Schimmer. Dr. Dornkamm hat vermutlich recht: Wir haben einen langen Weg vor uns.«
    Im Gegensatz zu Georg Ohnmus bevorzugte Polonius Fischer das langsame, ausholende Sprechen; er strapazierte die Geduld seiner Kollegen, indem er absichtlich die Dauer ihrer Zusammenkünfte verlängerte. So war es ihm im Verlauf vieler Jahre gelungen, ihnen seine Methoden und Strategien nahezubringen.
    »Wieweit stimmen die Aussagen, die wir bisher zusammengetragen haben, mit unseren Erkenntnissen überein?

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