If You Stay – Fuereinander bestimmt
Gesicht.
»Wein?«, fragt sie, und ich nicke, was gut ist, da sie mir bereits ein Glas Roten eingießt.
»Danke«, sage ich. »Was für ein schöner Abend.«
Ich blicke zum Fenster hinaus auf den See, der an diesem Abend dunkel und ruhig daliegt. Mila folgt meinem Blick.
»Ich liebe den See«, sagt sie leise. »Ich weiß, dass das die meisten sagen, die hier leben, aber ich liebe ihn wirklich. Er hat etwas Tröstliches an sich, denn egal, was sich auch in meinem Leben verändern mag, er ist immer da und bleibt so, wie er ist.«
Ich starre sie an, denn das ist genau das, was ich auch empfinde. Es ist sogar einer der Gründe, warum ich mich entschieden habe, hier zu leben, an seinem Ufer. Der See symbolisiert für mich Kontinuität. Und das ist tröstlich.
Mila sieht mich nachdenklich an. Mir fällt auf, dass ihre Augen ein sanftes Grün haben, das an Jade erinnert.
»Erzähl mir etwas von dir«, fordert sie mich mit leiser Stimme auf, während sie an ihrem Wein nippt. Ihre Finger streicheln das Glas, und ich wäre gern an seiner Stelle. Außerdem fällt mir auf, dass sie einen tiefroten Ring am Mittelfinger trägt, der exakt den Farbton des Weines hat. Ich hole Luft.
»Also, mein Name ist Pax Alexander Tate. Du weißt ja jetzt, wo ich wohne, aber du hast wahrscheinlich keine Ahnung, dass ich in Connecticut aufgewachsen bin und wir nach Chicago gezogen sind, als ich sieben Jahre alt war. Mein Vater lebt immer noch dort. Er ist Anwalt und arbeitet in einem Büro in der Innenstadt. Aber ich bin vor ein paar Jahren hierhergezogen. Ich liebe den See – genau wie du. Ich liebe den Frieden und die Ruhe und die Abgeschiedenheit. Ich bin nicht gerade der gesellige Typ und wusste, dass Leute in Orten, die an Seen liegen, daran gewöhnt sind, ihre Mitmenschen in Ruhe zu lassen. Den Einheimischen ist klar, dass die Leute oft genau aus diesem Grund hierherziehen – um allein zu sein, weg von dem Lärm der Großstadt. Deshalb bin ich nach Angel Bay gekommen.«
Mila lächelt ermutigend, als ahne sie, wie schwer es mir fällt, über mich selbst zu reden. Und ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, warum das so ist. Im Augenblick rattere ich nur Fakten herunter. Es ist ja nicht so, als würde ich irgendetwas wirklich Persönliches preisgeben.
»Was ist mit deiner Mutter?«, erkundigt sich Mila neugierig. »Sind deine Eltern geschieden? Bist du deshalb nach Chicago gezogen?«
Nun wird es allerdings sehr persönlich. Ich hole erneut Luft und bemerke, dass ich mit der Hand meinen Oberschenkel umklammere. Ich lockere meine Finger. Das hier ist nur eine Unterhaltung. Keine große Sache.
»Meine Mutter ist gestorben, als ich sieben Jahre alt war. Mein Dad und ich sind damals nach Chicago gezogen, um den Erinnerungen zu entgehen.«
Mira erstarrt. Ihre wunderschönen grünen Augen sind auf mich gerichtet.
»Oh, das … das wusste ich nicht«, stammelt sie schließlich. »Das tut mir wirklich leid. Du hast im Krankenhaus gar nichts davon erwähnt, als ich dir von meinen Eltern erzählt habe.«
»Ich weiß«, erwidere ich. »Ich rede für gewöhnlich nicht darüber.«
»War deine Mom krank?«, fragt Mila. »Hattest du die Möglichkeit, dich von ihr zu verabschieden? Für mich ist es das Schlimmste am Tod meiner Eltern, dass ich keine Möglichkeit hatte, mich von ihnen zu verabschieden. Es ging alles so schnell, war ein Schock. Der Schock war das Allerschlimmste.«
Ich versuche, mich an den Tod meiner Mutter zu erinnern, aber wie immer will es mir nicht gelingen. Das Einzige, was ich sehe, wenn ich darüber nachzudenken versuche, ist ein nebelhaftes Weiß. Keine Erinnerungen.
»Verbindest du Erinnerungen manchmal mit Farben?«, frage ich sie leichthin. »Es ist nämlich so, da ich so jung war, habe ich sämtliche Erinnerungen an den Tod meiner Mutter offenbar verdrängt. Sie ist ganz plötzlich gestorben, auch bei einem Autounfall – wie deine Eltern. Aber ich kann mich an nichts davon mehr erinnern. Wenn ich daran denke, sehe ich nur Weiß vor mir, fast wie eine leere Leinwand.«
Mila wirkt geschockt. »Das mache ich auch so«, flüstert sie. »Ich bringe so ziemlich alles mit Farben in Zusammenhang. Ich glaube, es liegt daran, dass ich Künstlerin bin. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit der Malerei, also sehe ich die Dinge natürlich auch mit den Augen einer Malerin. Dich vermag ich mir allerdings nicht zu erklären.«
Ich lächele. »Das schafft niemand«, entgegne ich trocken.
»Du warst also noch ein kleiner
Weitere Kostenlose Bücher