If you stay – Füreinander bestimmt
meine. Sie ist warm und groß. Ich sollte meine eigentlich wegziehen, tue es aber nicht. Seine Wärme ist überall um mich herum, und ich möchte darin versinken.
»Ich weiß nicht, warum ich hier bin«, gibt er leise zu, und seine Stimme ist nah an meinem Nacken. »Vermutlich, weil ich nicht aufhören kann, an dich zu denken. Und weil ich diesen erschrockenen Ausdruck auf deinem Gesicht nicht vergessen kann. Es tut mir leid, dass ich der Grund dafür gewesen bin. Du sollst wissen, dass sie mir nichts bedeutet. Sie hat sich mir aufgedrängt, und ich habe nicht nein gesagt. Es war reine Gewohnheit. Tut mir leid.«
Mir hämmert das Herz in der Brust. Ich habe keine Ahnung, was ich sagen soll. Ich weiß, dass ich ihn bitten sollte, zu verschwinden und mich in Ruhe zu lassen, aber mein Herz ist ein Verräter und möchte, dass er bleibt. Mein Herz muss Probleme haben. Aber das kann ich ja wohl schlecht sagen.
»Du kennst mich ja nicht einmal«, antworte ich stattdessen und drehe mich endlich um, um ihn anzusehen, wobei ich meine Hand wegziehe. Ich schaue in seine braunen Augen und erblicke darin etwas, das ich bislang noch nicht gesehen habe: Ängstlichkeit. »Wieso solltest du dich bei jemandem entschuldigen, den du kaum kennst? Du bist mir nichts schuldig.«
Er zuckt mit den Schultern, und diese Bewegung lässt mich seinen maskulinen Duft stärker wahrnehmen. Ich atme ihn ein und kämpfe gegen den Drang an, die Augen zu schließen, um den Geruch besser genießen zu können.
»Keinen Schimmer. Ich weiß nur, dass ich dich, seitdem ich dich das erste Mal getroffen habe, kennenlernen wollte. Deshalb bin ich diese Woche auch immer wieder in die Stadt gekommen, um dich zu sehen. Du hast etwas an dir, das mich glauben lässt, ich könne ein besserer Mensch werden und vielleicht sogar meinen ganzen Scheiß wieder in Ordnung bringen. So habe ich mich lange nicht mehr gefühlt. Und ich glaube, dass ich dir schon etwas schuldig bin.«
Verdammt. Seine Worte berühren eine Saite in mir, und ich schlucke. Sein Tonfall ist zögerlich, sanft. Und mein Herz lässt sich erweichen. Ich kann einfach nicht anders. Manchmal ist da so ein Ausdruck von Gebrochenheit in seinen Augen. Und tief in mir drin verspüre ich den Drang, das wieder in Ordnung zu bringen.
»Wieso?«, frage ich, ohne meinen Blick von ihm abzuwenden. Er schüttelt den Kopf.
»Weiß nicht. Du hast etwas Wohltuendes an dir. Du scheinst ein guter Mensch zu sein. Ich fühle mich einfach zu dir hingezogen. Ich kann es nicht richtig erklären.«
Jetzt lache ich amüsiert.
Ich deute auf das Bild, an dem ich gerade arbeite. »Möchtest du deine Meinung nicht noch mal überdenken, wenn du das hier siehst?«
Wir betrachten beide die mit zornigem Schwarz und Grau gefüllte Leinwand. Das Bild sieht aus wie etwas, das ein Patient in der Psychiatrie gemalt haben könnte. Pax lächelt endlich.
»Tja, scheint ganz so, als hättest du eine dunkle Seite. Aber der Unterschied zwischen dir und mir ist, dass du sie auf eine gesunde Art und Weise zu kanalisieren vermagst. Ich kann das nicht.«
Ich sehe ihn an und versuche, zu entscheiden, was ich sagen soll, wie aufrichtig ich sein kann. Aber dieser Moment scheint gut dazu geeignet, sich in Aufrichtigkeit zu üben, daher zögere ich nicht.
»Ich bin mir nicht sicher, ob es so gesund ist, dass ich mich zu dir hingezogen fühle«, gebe ich schließlich zu. »Ich habe mich noch nie zu einem bösen Jungen hingezogen gefühlt.«
Er steht nun so dicht vor mir, dass seine Nähe fast schon ein wenig berauschend ist. Ich starre zu ihm auf, warte auf seine Antwort. Es kommt mir so vor, als könne ich die Gefahr spüren, die von ihm ausgeht … sie ist elektrisierend, faszinierend.
Pax denkt für einen Moment darüber nach. Sein Kinn ist von Bartstoppeln bedeckt.
»Tja, ich wollte nie ein guter Junge sein, also ist das wohl für uns beide etwas Neues.«
Wir scheinen einander eine ganze Ewigkeit in die Augen zu sehen.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm glauben soll, aber er kommt mir aufrichtig vor. Ich weiß allerdings, dass ich ihm glauben
möchte,
selbst wenn es ein blödes Gefühl ist.
Ich weiß nicht, was ich sagen soll, und ganz offenbar geht es ihm genauso.
Ohne ein Wort zu verlieren, beugt er sich vor und küsst mich auf die Lippen.
Es ist so unerwartet wie wundervoll.
Seine Lippen sind weich, und er schmeckt nach Minze. Verschwunden ist der Geschmack nach Aschenbecher und Erbrochenem. Verschwunden ist der leblose Mann
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