If you stay – Füreinander bestimmt
meine Kehle rinnt. Ich denke kurz darüber nach, in welchem Tempo sich alles um mich dreht und wie verschwommen alles ist, und komme zu dem Schluss, noch eine weitere Pille, vielleicht sogar zwei, zu nehmen. Ich stecke sie mir in den Mund und trinke einen weiteren Schluck von dem Whiskey, ehe ich die Flasche auf den Boden der Beifahrerseite werfe. Nachträglich fällt mir ein, dass ich gar nicht darauf geachtet habe, ob der Verschluss drauf war.
Ist mir egal.
Der von den Drogen verursachte Schleier trübt meinen Blick, und all das Schwarz und Grau wirbelt ineinander, und ich schließe die Augen. Es kommt mir immer noch so vor, als würde ich mich bewegen und der Wagen sich andauernd im Kreis drehen.
Ich werde von der Nacht geschluckt, in die Dunkelheit hinausgetrieben, weit über die Wolken und in den Nachthimmel hinauf, wo ich inmitten der Sterne dahingleite, vorbei am Mond, nach dem ich meine Hand ausstrecke, um ihn mit einem Finger zu berühren.
Ich lache.
Oder ich glaube zu lachen.
Das lässt sich unter diesen Umständen nicht so leicht sagen. Ich weiß nicht, was real ist und was nicht. Und genau so mag ich’s.
Kapitel 2
Mila
I ch mag die Nacht. Mag alles an ihr.
Wie die Dunkelheit Dinge verbirgt, die ich möglicherweise gar nicht sehen will, und gleichzeitig Dinge zum Vorschein bringt, die ich bei Tageslicht gar nicht bemerken würde. Ich mag die Sterne und den Mond und die samtige Feuchtigkeit auf meiner Haut. Ich mag es, wie der Michigansee in der Finsternis schwarz daliegt und im Mondlicht wie zerbrochener Onyx schimmert.
Es fühlt sich immer ein bisschen gefährlich an. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum mir dies alles so gefällt.
Ich halte meinen Fotoapparat fest, als ich durch den weichen, feuchten Sand am Strand stapfe. Hier geht immer eine frische Brise, doch das liegt nur daran, dass die Luft, die vom See hereinweht, kalt ist. Das Wasser ist Sommer wie Winter eisig, so als hätte Gott ein großes Glas Eiswasser hineingegossen. Ich kuschele mich tiefer in meinen Pullover, bevor ich wieder durch das Objektiv schaue.
Der Mond hängt am Rand des Horizonts, genau dort, wo sich Wasser und Himmel treffen. Wir haben Vollmond heute Nacht. Er hat einen leichten Rotton, etwas, das wir nicht so oft zu sehen bekommen. Die Seefahrer nennen ihn Blutmond, und ich verstehe, warum. Er ist von einer überirdischen Schönheit, unvergesslich. Er ist der Grund, warum ich heute Nacht hier bin.
Ich beginne, Fotos zu schießen – mal kniend, mal stehend und wieder kniend.
Als sich ein großer Nebelschwaden vor den Mond schiebt und ihn teilweise verdeckt, verschlägt es mir den Atem. Das ist ein perfektes Foto. Es wird ein tolles Gemälde geben. Und der gerahmte Druck wird auch gut aussehen. Das geht so oder so für mich in Ordnung, denn ich habe Kunden für beides.
Ich schieße mindestens hundert Fotos, bevor ich endlich mit dem Licht, der Helligkeit und dem Blickwinkel zufrieden bin. Als ich den Apparat wieder in seiner Tasche verstaut habe, fülle ich meine Lungen mit der frischen, klaren Seeluft und genieße meinen Strandspaziergang. Ich mag es, wie meine nackten Füße in den festen, silbrigen Sand einsinken.
Es ist eine gute Nacht, um die Gedanken schweifen zu lassen. Es regt sich kein Lüftchen, und die Stille ist überwältigend. Selbst die Möwen schlafen, so dass niemand hier ist, um mich zu stören. Ich bin ganz allein. Perfekt.
Als der Wind wieder auffrischt und mir das Haar aus dem Gesicht weht, gehe ich in meinem Kopf die Liste der Dinge durch, die ich morgen in meinem Studio erledigen muss und was alles an Materialien nachzubestellen ist. Außerdem frage ich mich, ob ich daran gedacht habe, meine Tür abzuschließen, doch selbst wenn nicht, wäre das kein Problem.
In einer größeren Stadt müsste ich, was das betrifft, vorsichtiger sein, und es wäre sicherlich nicht anzuraten, als Frau nachts allein einsame Spaziergänge zu unternehmen. Aber hier in Angel Bay könnte ich nicht sicherer sein. Wir haben eine Kriminalitätsrate, die einer Kleinstadt aus den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts entspricht. Das schlimmste Verbrechen ist, wenn hier in der Touristensaison Leute bei Rot über die Straße laufen.
Als ich eine Düne hinaufgestiegen bin, um zu dem Parkplatz zu gelangen, wo ich meinen Wagen stehen lassen habe, erblicke ich dort zu meiner Überraschung ein schwarzes, glitzerndes Muscle-Car, das zum See hin geparkt ist. Es war noch nicht hier, als ich vorhin meinen Wagen
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