If you stay – Füreinander bestimmt
Aber ich muss sie finden.
Ich tauche tiefer, und mein Körper wird tatsächlich taub. Ich spüre ihn nicht mehr. Ich versuche verzweifelt, irgendein Anzeichen von ihr zu entdecken. Das kann doch alles nicht wahr sein. Mila darf hier nicht ertrinken, nicht in diesem See, den sie so sehr liebt, nicht wegen mir. Ich zwinge mich, meine Lider zu öffnen, und die eisige Kälte trifft auf das empfindliche Gewebe meiner Augen, aber ich muss sehen. Auch wenn das Wasser so trüb ist, dass ich ehrlich gesagt gar nichts erkennen kann.
Ich rudere mit den Armen, bis meine Hand gegen etwas im Wasser stößt.
Ich greife danach, und meine tauben Finger bekommen etwas zu fassen.
Mila.
Die Daunenjacke zieht sie nach unten, und sie schafft es nicht, nach oben zu gelangen. Offenbar versucht sie, sich herauszuwinden.
Ich ziehe sie mit nach oben, und wir durchbrechen die Wasseroberfläche. Ich streiche ihr das Haar aus dem Gesicht. Sie schnappt nach Luft und klammert sich instinktiv an mich, versucht, aus dem Wasser zu kommen.
»Beruhige dich«, sage ich rasch und ziehe sie mit einer kräftigen Tretbewegung mit zum Boot hinüber. »Beruhige dich, sonst ertrinken wir beide.«
Ich schiebe sie hinauf und über den Bootsrand, und dann ziehe ich mich selbst an der Seite hoch, und wir sacken beide zu Boden. Sie liegt in einer großen Lache eisigen Wassers da, die Lippen blau, und klappert mit den Zähnen.
»Was, zum Teufel, hast du dir nur dabei gedacht?«, fahre ich sie an. »Bist du verrückt geworden? Warum hast du dich nicht festgehalten?«
Ich zerre Mila die lange, klatschnasse Daunenjacke vom Körper und sehe mich dann auf dem Boot um, ob es irgendetwas gibt, in das ich sie einwickeln kann. Aber da ist nichts.
»Scheiße«, murmele ich. »Ich habe nichts, womit ich dich warm halten könnte.« Ihr nasses Haar steht in Büscheln von ihrem Kopf ab und hängt an ihrem Rücken herunter. Ich reibe ihre Arme. »Wir müssen zum Ufer zurück. Bleib hier in der Nähe der Wand.«
Sie klammert sich an der Seite fest und duckt sich unter den Rand, wo sie teilweise vor dem Wind geschützt ist.
»T-t-tut mit l-l-leid«, stammelt sie. »Ich hätte f-f-fester halten sollen. Aber d-d-du bist so schnell g-g-gefahren.«
»Ich weiß«, erwidere ich schuldbewusst, »tut mir wirklich leid, Mila. Das war mein Fehler. Wir müssen ans Ufer zurück und zusehen, dass du wieder trocken wirst.«
Ich starte das Boot, wende es Richtung Ufer und fahre, so schnell ich kann. Der Wind dringt durch mein nasses T-Shirt, und es bilden sich tatsächlich Eiszapfen am Saum. Als ich in meinen Liegeplatz einbiege, sind meine Finger blaurot, und ich zittere furchtbar.
Sobald ich angedockt habe, helfe ich Mila mit tauben Fingern vom Boot. Sie taumelt dermaßen, dass sie sich kaum aufrecht halten kann. Ich vermute, dass ihre Beine auch taub sind, daher hebe ich sie auf meine Arme, denn vermutlich kann ich sie schneller tragen, als sie laufen kann.
»Ich k-k-kann laufen«, stammelt sie. Ich schüttele den Kopf.
»Ich kann schneller laufen.«
Ihre Finger, die sich in meine Schulter krallen, sind wie Eis, und ich schüttele erneut den Kopf.
»Du wirst dir eine Lungenentzündung holen«, sage ich, als ich den Wagen aufschließe und sie auf den Sitz verfrachte. Zum ersten Mal wünsche ich mir, es wäre kein Oldtimer. Ein neuerer Wagen hätte eine Sitzheizung.
Ich stecke den Schlüssel mit eisigen, klammen Fingern in das Zündschloss, und wir schaffen es in wenigen Minuten bis zu meinem Haus. Mein schlechtes Gewissen lässt mich auf den eisigen Straßen schneller fahren, als ich es normalerweise getan hätte.
Kaum sind wir in der Auffahrt angelangt, drücke ich den Knopf für die Garage, damit ich nicht auch noch am Haustürschloss herumfummeln muss. Innerhalb von Sekunden bin ich aus dem Wagen und an ihrer Seite, ziehe sie aus dem Wagen und trage sie durch die Garage ins Haus.
»Deine Lippen sind immer noch blau«, verkünde ich. »Du musst heiß duschen.«
»D-d-du auch«, erwidert sie mit zitterndem Kinn. Ich vermag nicht zu entscheiden, ob ihr bloß kalt ist oder ob sie einen Schock hat.
Ich trage sie sofort nach oben in mein Badezimmer. Dort setze ich sie auf den Toilettensitz, lasse das Wasser in der Dusche laufen und wende mich ihr wieder zu, um ihr dabei zu helfen, die eisigen Sachen auszuziehen. Ich habe immer noch kein Gefühl in meinen Fingern. Sie sind so kalt, dass sie sich beinahe heiß auf ihrer eiskalten Haut anfühlen.
»Es tut mir so leid, Mila.
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