If you stay – Füreinander bestimmt
auf ihre Sachen.«
Madison sieht mich mitfühlend an. »Das kenne ich. Ist mir letzte Woche auch so gegangen. Ich vermisse die beiden so sehr.«
Sie bekommt feuchte Augen und verschwindet Richtung Küche. Madison zeigt ihre Tränen nicht gern. Sie winkt mir nur kurz zu. »Du weißt ja, wo alles ist. Ich bin in der Küche.«
Ich gehe den Flur hinunter zum Schlafzimmer unserer Eltern. Obwohl es das Hauptschlafzimmer und damit das größte Zimmer ist, hat es Maddy nicht über das Herz gebracht, es auszuräumen und hier zu schlafen. Sie hat ihr altes Zimmer behalten und das von unseren Eltern unverändert gelassen.
Als ich eintrete, herrscht darin eine Stille, die man fast schon andächtig nennen könnte. Wenn ich die Augen schließe, bilde ich mir ein, dass ich das Parfüm meiner Mutter noch riechen kann. Aber das ist natürlich Unsinn. Nach all den Jahren ist ihr Duft längst verflogen.
Aber ihre Erinnerungen sind es nicht.
Ich öffne die oberste Schublade ihrer Kommode, ziehe sie heraus und trage sie zum Bett. Als ich mich auf die geblümte Tagesdecke setze, erinnere ich mich an all die vielen Nachmittage, an denen ich nach der Schule hier auf dem Bett gesessen habe, während sie sich für die Arbeit im Restaurant fertig machte. Sie saß an ihrem Schminktisch, bürstete sich das Haar, trug Parfüm auf und redete mit mir über meinen Tag.
Gott, wie ich sie vermisse!
Als Erstes sehe ich die Fotos in ihrer Schublade durch. Es sind verschiedene Stapel ohne jede Ordnung, die mit alten Gummibändern zusammengehalten werden. Schwarzweiß-Fotos aus ihrer Kindheit, verblasste aus meiner. Mein Lieblingsfoto ist dabei, das, auf dem Dad und ich gemeinsam einen riesigen Fisch in die Höhe halten, den wir an einem perfekten Sommertag im Michigansee gefangen haben. Ich war acht Jahre alt und habe einen Schokoladenschnäuzer, und er trägt seine schlabberige Angelmütze.
Bei der Erinnerung daran muss ich lächeln.
Das war ein richtig guter Tag. Mom und Maddy waren am Strand sitzen geblieben, weil sie ziemlich zimperlich waren, wenn es um Fische und Köder ging. Dad hatte mir seine Hand auf die Schulter gelegt, und wir beide hatten stundenlang geangelt. Ich war mir so wichtig vorgekommen, weil ich einen kräftigen Magen hatte und ihn begleiten konnte.
Ich stecke das Foto zurück in den Stapel und lege das Gummiband wieder darum.
Ich berühre die alten Liebesbriefe, die mein Vater meiner Mutter geschrieben hat, und die alten Briefe meiner Großmutter. Meine Mutter hat alles aufbewahrt. Im Grunde genommen war sie ein sentimentaler Mensch, und in Zeiten wie diesen bin ich unglaublich dankbar dafür.
Als ich die Schublade verschiebe, höre ich, wie etwas darin umherrollt. Ich taste danach und entdecke in einer Ecke einen Ring. Es ist ein breiter Ring aus Rotgold, und auf der Innenseite sind die Worte
Die Liebe hört niemals auf
eingraviert. Ich spüre ein Gefühl der Enge in der Brust. Ich erinnere mich an diesen Ring. Es war Moms ursprünglicher Hochzeitsring, den sie nach Maddys Geburt nicht mehr tragen konnte, weil er zu eng geworden war. Und dann hatte Daddy ihr einen ausgefallenen Ring mit einem Diamanten geschenkt, den sie stattdessen getragen hat.
Aber nun, da ich diesen schlichten Ring in meiner Hand halte, gibt mir das irgendwie Auftrieb.
Die Liebe hört niemals auf.
Allein das kühle Metall in der Hand zu halten gibt mir ein gutes Gefühl. Ich schiebe ihn auf den Ringfinger meiner rechten Hand. Er passt wie für mich gemacht.
Ich befördere die Schublade wieder in die Kommode zurück und gehe zu Maddy in die Küche.
»Hast du etwas dagegen, wenn ich den behalte?«, frage ich sie und strecke die Hand aus. »Das ist Moms ursprünglicher Ehering.«
Maddy schüttelt den Kopf. »Natürlich nicht. Du hast mir ja den Diamantring gelassen. Das ist doch nur fair.« Sie schenkt mir ihr Beste-große-Schwester-Grinsen, und ich kann nicht anders, ich muss sie einfach umarmen.
»Ich liebe dich, weißt du«, sage ich zu ihr, als wir uns auf ihren Küchenstühlen niedergelassen haben und die Ellenbogen auf den Tisch stützen. »Mom und Dad wären sehr stolz auf dich.«
Sie lächelt mich an und nimmt einen Schluck von ihrer Schokolade. »Ich danke dir. Sie wären auch stolz auf dich. Das waren sie immer schon.«
Ich beuge mich zu ihr hinüber und versuche, ihr den Becher zu stibitzen, doch sie versetzt mir einen Klaps auf die Hand.
»Wie viele davon hast du eigentlich schon getrunken?«, frage ich. »Du kannst doch bestimmt
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