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Ihr Kriegt Mich Nicht!

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Titel: Ihr Kriegt Mich Nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
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einer großen Fabrik. Er erwähnte es aber nicht. Schließlich krochen sie unter die Tanne und teilten sich die Dose Erbsen.
    »Morgen kommen wir bestimmt an irgendeiner Brücke oder einem Dorf vorbei«, sagte Pi. »Dort können wir anrufen und uns abholen lassen.«
    Sie krochen eng aneinander hin, um sich zu wärmen. Pi legte den Arm um Mik.
    »Von den Erbsen ist man nicht unbedingt satt geworden«, bemerkte Filip.
    »Dann iss doch einen Tannenzapfen«, sagte Pi.
    Mik hoffte, dass sie morgen weder an einer Brücke noch an einem Dorf vorbeikamen. Er hoffte, dass … ja, was hoffte er? Dass er sein restliches Leben mit Pi unter einer Tanne verbringen durfte? Wenn Mik zwischen einer Wiederholung der Fahrt durch die Stromschnellen und einer Rückkehr zu den Plagegeistern wählen müsste, würde er die Stromschnellen vorziehen. Doch das war seine eigene Wahl. Mik war sich ziemlich sicher, dass Pi, Oskar und Filip schon alles bereuten. Sie hätten ihn ja ganz einfach in das Auto der Papageienfrau einsteigen lassen können. Das wäre das Einfachste für sie gewesen. Aber nein, stattdessen hatten sie den Fluchtplan in die Tat umgesetzt. Er hatte sie sehr gern.
    Der Paragraf schrie durch den Wald, und es begann zu regnen.
     
    Pi sammelte Sauerklee und frische grüne Tannentriebe zum Frühstück. Das schmeckte bitter und sehr grün, so als würde man den Wald selbst essen, und genau das sagte Oskar auch: »Ich hab keine Lust, den beschissenen Wald zu essen.«
    Er spuckte und spie und fing an, über Toastbrot mit Marmelade zu reden. Pi hieß ihn den Mund halten, aber Oskar deckte unbeirrt einen Frühstückstisch in der Luft: »Dann würde ich ein Leberwurstbrot nehmen. Nein, lieber eine …«
    »Klappe!«, sagte Filip und zwirbelte einen Tannentrieb zwischen den Fingern.
    »… Käsesemmel«, sagte Oskar. »Und die dann in heiße Schokolade tauchen, damit der Käse weich wird und Fäden zieht.«
    Filip warf Oskar den Tannentrieb ins Auge, und gleich darauf lagen sie im Moos und kämpften miteinander.
    »Scheiße!«, schrie Filip. »Wir haben uns verirrt, haben nichts zu essen, und du redest über Käsesemmeln. Ich bring dich um!«
    Pi trennte die beiden.
    »Wir folgen dem Fluss. Wir haben uns nicht verirrt.«
    »Und wohin fließt der?«, schrie Filip. »Zum Meer, oder was? Nach China? Ich will nach Hause.«
    »Eine Käsesemmel«, sagte Oskar.
    In ihren Mägen schwappte ein Ozean aus brennender Magensäure, in dem nur ein paar wenige Tannentriebe umhersegelten. Mik sagte nichts, alles war schließlich seine Schuld. Er war das Problem. Das Problemkind. Ohne ihn wären sie jetzt nicht hier, mit Tannennadeln als einziger Nahrung.
    »Kein Leberwurstbrot …«, sagte Oskar, worauf Filip sich wieder auf ihn warf.
    »… sondern eine Käsesemmel«, schrie Oskar. Filip mauerte ihm den Mund mit Moos zu.
    »Hört auf!«, fuhr Pi sie an. »Seht euch Mik an. Der jammert nicht.«
    Filip und Oskar hörten mit ihrem Gerangel auf und warfen Mik saure Blicke zu, die unmissverständlich waren.
    Mik deutete auf das Floß und sagte: »Heute kommen wir garantiert an einer Brücke oder einem Dorf vorbei.«
    »Hööör auf!«, schrie Filip. »Alles ist deine Schuld. Ist dir das klar? Du hast Probleme. Du bist ein Alkikind. Ich hab keine Probleme. Was hab ich eigentlich hier verloren?«
    Es wurde still. Mik sah auf den Fluss hinaus. Pi fuhr sich mit den Fingern durch ihre verfilzten Haare. Dies war schon lange kein Spiel mehr.
    »Ja«, sagte Mik. »Ich bin das Alkikind. Das hab ich nicht vergessen.«
    Filip hatte recht. Mik wusste, dass diese Flucht sinnlos war. Alles Fliehen war sinnlos. Und wenn er zehntausend Kilometer zurücklegte, würde das nicht helfen. Genau wie Filip sagte, war er selbst das Problem. Und vor sich selbst konnte man nicht fliehen. Man landete jedes Mal wieder am Kannibalenstrand.
    »Jetzt fahren wir«, entschied Pi. »Und niemand spricht mehr über Essen. Sonst schnappen wir nämlich über.«
    Sie lösten die Vertäuung und schoben das Floß ins tiefere Wasser. Der Himmel klarte auf, und die Strömung glitzerte in der Morgensonne. Sie stakten und paddelten. Alle dachten an Essen. Mik versuchte an Hundescheiße und Grütze zu denken, aber wenn er Marmelade dazu bekäme, würde er jetzt auch Grütze essen. So groß war sein Hunger. Der Fluss wand sich durch einen tiefen Einschnitt in ein Felsengebirge. Schwindelerregende senkrechte Wände erhoben sich zu beiden Seiten. Das Floß glitt dahin wie in einem Saal. Die Luft

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