Ihr letzter Tanz
allerdings ein Fremdverschulden ausgeschlossen werden konnte, hatte Laras Ex-Mann Ben zusammen mit Gordon alle Vorbereitungen für die Beisetzung getroffen. Lara war vor fast zwanzig Jahren nach Miami gekommen, um aufs College zu gehen, wenige Jahre darauf waren ihre Eltern gestorben. Kinder hatte sie nie gehabt, und falls es engere Verwandte gab, dann hatten die sich in all der Zeit nie hier blicken lassen. Da Lara durchaus als prominent bezeichnet werden konnte, waren die beiden Männer zu dem Entschluss gekommen, sie an einem Samstagmorgen beisetzen zu lassen.
„Shannon, sie kam hier reingeschneit, um dann und wann mal zu tanzen. Wir kannten sie, aber sie war für keinen von uns wie eine Schwester. Du musst darüber hinwegkommen“, beharrte Ella. „Wenn jemand behaupten kann, sie wirklich gekannt zu haben, dann ist das Gordon. Aber sogar
er
hat den Blick nach vorn gerichtet.“
Shannon musste zugeben, dass Ella damit Recht hatte. Den gestrigen Tag hatte er in seinem Büro verbracht und sich Stoffmuster angesehen, um zu überlegen, welcher ihm am besten für neue Vorhänge in seinem Wohnzimmer gefiel.
„Aus dir werde ich nicht schlau“, unterbrach Ella Shannons Gedanken und schüttelte den Kopf. „Du warst auch nach Nell Durkens Tod völlig aufgelöst, und sie war seit fast einem Jahr nicht mehr zum Tanzunterricht gekommen.“
„Nell Durken starb aber nicht einfach so. Ihr Ehemann brachte sie um. Vermutlich war er in Panik geraten, als er begriff, er könnte seine Köchin und Putzfrau verlieren“, gab Shannon verbittert zurück. Nell war eine der erstaunlichsten Schülerinnen gewesen, die sie je hier im Studio erlebt hatte. Sie war unbekümmert, hübsch und so voller Leben gewesen. Allen anderen Schülern gegenüber hatte sie sich immer freundlich verhalten, sie reagierte mit Ironie auf die Tatsache, dass ihr Mann einfach nicht mitkommen wollte. Doch sie war entschlossen gewesen, dann eben allein Tanzen zu lernen. Dass ihr Ehemann sie umgebracht hatte, war für Shannon entsetzlich gewesen.
„Mein Gott“, hauchte sie auf einmal.
„Was ist?“ fragte Ella.
„Es ist doch schrecklich, findest du nicht?“
„Schrecklich? Was denn?“ Ella schüttelte fragend den Kopf.
„Nell Durken starb, weil ihr Mann sie zwang, eine Überdosis Schlaftabletten zu schlucken.“
„Ja, der Kerl war ein Bastard. Das haben wir alle gedacht“, sagte Ella. „Dass er so gefährlich sein könnte, hätte wohl niemand für möglich gehalten. Aber wenigstens ist die Polizei ihm auf die Schliche gekommen. Wahrscheinlich dachte er, wenn er sie all diese Tabletten schlucken lässt, würde es wie ein Unfall oder ein Selbstmord aussehen. Dann hätte er ihre Lebensversicherung kassieren können.“ Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Aber sie haben ihn ja geschnappt. Er könnte sogar die Todesstrafe bekommen, weil sein Motiv offensichtlich war und sich seine Fingerabdrücke auf dem Fläschchen mit den Tabletten befanden.“
„Hast du dir in letzter Zeit zu viele Polizeiserien angesehen?“ drang auf einmal eine Stimme durch die offene Tür. Gordon stand vor dem Büro und sah die beiden Frauen amüsiert an.
„Nein, Gordon“, erwiderte Ella. „Ich habe nur erzählt, was Nell Durken zugestoßen ist. Und dass ich hoffe, dass der Bastard dafür schmoren wird.“
„,Schmoren wird‘?“ wiederholte Gordon.
„Ja, okay, normalerweise gibt es die Giftspritze. Aber er war so gemein zu ihr, lange bevor er sie umbrachte, er hat es verdient.“
Gordon machte einen ratlosen Eindruck. „Wie kommt ihr jetzt überhaupt auf Nell Durken?“
„Wir sprachen über Lara“, antwortete Ella.
Er schien den Zusammenhang nicht zu sehen. „Wir haben Lara verloren. Das ist eine Sache. Sie war ein wenig so wie Ikarus und versuchte, zu hoch zu fliegen. Aber Nell … verdammt, wir alle wussten, dass sie diesen Kerl hätte verlassen sollen. Zu schade, dass sie es nicht tat. Ich hätte sie gern weiter tanzen gesehen.“
„Sie hörte damit auf, als er für sie beide diesen Karibikurlaub plante, wisst ihr noch?“ sagte Shannon gedankenverloren. „Sie wollten in die zweiten Flitterwochen fahren. Er wollte sie für alles entschädigen.“
„Tja, und wir dachten alle, es läuft wieder bestens zwischen den beiden, weil sie nach dem Urlaub anrief und für die nächste Zeit alle Tanzstunden absagte, da sie auf Reisen gehen wollten. Als gute Empfangsdame habe ich natürlich regelmäßig nachgehakt, aber immer nur den Anrufbeantworter
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