Ihr letzter Tanz
einen Schritt nach vorn machen konnte, legte Sam seine Hände auf ihre Schultern und zog sie an sich. „Zu schade, dass wir uns mit unseren Schülern nicht privat treffen dürfen, nicht wahr?“
„Sam“, gab sie mit einem leisen, gelangweilten Seufzer zurück. Die Vorschrift lautete so, das stimmte. Aber Gordon hatte es immer vorgezogen, von den Dingen nichts zu wissen, von denen er nichts wissen wollte. Die gleiche Haltung traf auch auf Shannon zu.
Als sie sich von Sam entfernte, hörte sie Justin flüstern: „Nicht privat treffen? Für ein paar von uns mag das ja gelten, aber für einige andere nicht.“
Noch während sie ihre Hand ausstreckte, überlegte sie, was Justin damit meinte. Wer hatte sich mit wem privat getroffen? Und warum bereitete ihr diese simple Frage mit einem Mal ein solches Unbehagen?
Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Sie sind also Dougs Bruder. Freut mich, Sie hier zu sehen. Doug ist bei uns etwas ganz Besonderes, müssen Sie wissen.“ Einen Moment lang zögerte sie. „Hat er Sie mit vorgehaltener Waffe hergebracht?“
Der Mann reagierte mit einem Lächeln, und in seiner linken Wange zeichnete sich ein kleines Grübchen ab. „So ungefähr“, sagte er. „Er hat ein gutes Gespür dafür, wie man jemanden von einer Sache überzeugt.“ Er begrüßte sie mit einem kraftvollen Händedruck. „Ich bin Quinn. Quinn O’Casey. Ich fürchte, Sie werden mich wohl als den Bruder mit den zwei linken Füßen in Erinnerung behalten. Ich werde für Sie eine gewaltige Herausforderung sein.“
Shannon lächelte weiter, doch in ihrem Inneren machte sich abermals Unbehagen breit.
Eine gewaltige Herausforderung.
Sie hatte so ein Gefühl, dass er Recht hatte, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Tanzstunden.
Was zum Teufel treibt ihn wirklich her?
fragte sie sich.
„Ella, kann ich für Mr. O’Casey bitte einen Fragebogen haben?“ sagte sie laut. „Kommen Sie mit in den Konferenzraum. Dann werden wir sehen, was wir für Sie tun können.“
Der so genannte Konferenzraum war nichts weiter als ein abgeteilter Raum, der vielleicht zweieinhalb Meter lang und ebenso breit war. In der Mitte stand ein runder Tisch, an dem im äußersten Fall fünf Personen Platz nehmen konnten. Ringsum gab es einige Schautafeln und ein paar Regale, in denen Pokale verschiedener Lehrer des Studios standen, unter anderem auch einige, die Shannon gewonnen hatte. Zwei andere Pokale zeigten, dass das
Moonlight Sonata
in den letzten beiden Jahren in Folge zum besten unabhängigen Studio gekürt worden war.
Ella reichte Shannon den Fragebogen, während die anderen einfach stehen blieben und ihr zusahen. Erst auf einen knappen, unmissverständlichen Blick hin löste sich die Gruppe auf. Shannon schloss die Tür und zeigte auf einen Stuhl.
„Nehmen Sie doch Platz.“
„Ich lerne hier tanzen, wenn ich mich an einen Tisch setze?“ fragte Quinn O’Casey amüsiert.
„Ich lerne erst etwas über Sie“, gab sie zurück. „Nämlich an welchen Tänzen Sie interessiert sind.“ Natürlich wollte das Studio Tanzkurse an den Mann und an die Frau bringen, und deshalb wurde der Konferenzraum im Spaß auch schon mal als der ,Abzockerraum‘ bezeichnet. Shannon war aber wichtig, dass sie immer nur den besten Kurs anbot und nie einen neuen Schüler zu irgendetwas drängte. Wer das Gefühl bekam, dass man ihn über den Tisch gezogen hatte, kam einfach nicht mehr her. Die Schüler jedoch, die dem Studio treu blieben, waren diejenigen, die sich zu Wettbewerben meldeten und die die Tanzschule ins Gespräch brachten.
„Also, Mr. O’Casey, welche Tänze möchten Sie denn lernen?“
„Welche Tänze?“
Der dunkelhaarige Mann, der Shannon gegenübersaß, hob die Augenbrauen, als hätte sie ihm eine Fangfrage gestellt.
„Wir unterrichten hier viele verschiedene Tänze“, erklärte sie. „Darunter auch Polka und Country and Western. Normalerweise haben die Leute, die herkommen, eine gewisse Vorstellung davon.“
„Oh ja, klar. Tja, also eigentlich habe ich gar keine Vorstellung. Doug hat mich dazu überredet. Welche Tänze …? Na ja, ich … ich kann überhaupt nicht tanzen“, sagte er. „Und … Doug sagte irgendetwas von langsamen Tänzen. Ich nehme an, dass ich das dann wohl machen soll.“
„Also möchten Sie sich auf Walzer, Foxtrott und Tango konzentrieren.“
„Tango?“
„Ja, Tango.“
„Den Tanz nennen Sie
langsam
?“
„Es gibt dabei schnelle Schritte, und ausgeprägte, spritzige Bewegungen sind ein
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