Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
dort vorging. Sie erfuhr, dass Ernie eine Frau besuchte und mit ihr zusammen Geld in den Pubs ausgab oder mit ihr zum Einkaufen in die Stadt fuhr. Die fragliche Dame spazierte in neuen Kleidern und mit billigem Schmuck durch die Gegend. Janine war außer sich. Als Ernie kein Geld gehabt hatte, war er zu ihr gekommen, um sich abzureagieren, und hatte ihr wenig genug bezahlt. Nun besaß er Geld, und wie Janine die Sache sah, hätte er es mit ihr zusammen ausgeben müssen. Die Frau aus Long Wickham konnte nichts für Ernie tun, was Janine nicht ebenfalls gekonnt hätte. Sie fühlte sich von Ernie betrogen, weil er sein Geld mit und bei einer anderen ausgab. Mehr noch, es verletzte ihren Stolz. Durch sein Verhalten machte er deutlich, dass Janine nur dann in Frage kam, wenn jemand es ganz dringend nötig hatte und pleite war! Ich wage zu behaupten, dass keine Frau es mag, wenn man sie für billig hält.«
»Das ist gefährliches Eis, auf das Sie sich begeben, alter Freund«, warnte Rory Armitage.
»Hey!«, sagte seine Frau.
»An jenem schicksalhaften Tag«, fuhr Markby hastig fort, »war Janine früh am Morgen nach Rookery House gegangen, um die Läden zu öffnen und ein wenig frische Luft ins Haus zu lassen, als sie von einem Fenster im ersten Stock sah, wie Ernie die Koppel überquerte. Er hatte aus dem Vollen gelebt mit seiner neuen Flamme, hatte einen Kater und war müde. Er suchte einen stillen, ungestörten Fleck und legte sich auf ein Nickerchen unter den Kastanienbaum auf Olivias Koppel. Janine stürmte nach draußen, voller Groll, und verschaffte ihrem Zorn in einer Schimpftirade Luft. Ernie war kein Mann, der bei einem Streit viele Worte machte. Er schlug zu und erwischte Janine am Auge. Janine flüchtete nach Hause. Ihre Wut war noch größer als zuvor, und sie dürstete nach Rache. Gegen Mittag kehrte sie nach Rookery House zurück, um, wie sie sagt, die Fenster wieder zu schließen. Sie fürchtete, dass Ernie noch immer auf dem Grundstück herumlungern könnte, und um sich zu schützen – so ihre Version – nahm sie ein scharfes Küchenmesser mit. Sie schlich zur Koppel, um nach Ernie zu sehen, und tatsächlich, er schlief noch immer tief und fest unter dem Baum. ›Er schlief wie ein Toter‹, hat sie bei ihrer Vernehmung ganz treffend gesagt. Sie sagt, sie hätte nicht gewusst, was über sie gekommen wäre. Sie hätte das Messer gezückt und …« Markby verstummte.
»Uff!«, sagte Wynne, und Armitage murmelte:
»Die Frau ist verrückt. Hat sie denn nicht an ihre Kinder gedacht?«
»Sie hat wohl nicht geglaubt, dass man sie überführen und vor Gericht bringen würde. Das glauben Mörder nie.« Markby lächelte trocken.
»Tatsächlich wäre sie vielleicht sogar durchgekommen, doch als sie nach dem Mord an Ernie Rookery House betrat, um die Fensterläden zu schließen – was ja der eigentliche Grund für ihre Rückkehr gewesen war –, sah sie Kevin kommen. Sie rannte weg und versteckte sich. Sie sah, dass Kevin zur Koppel ging. Er suchte nach Ernie, und er wusste, dass der Platz unter dem Kastanienbaum einer von Ernies Lieblingsplätzen war. Janine rannte in Panik nach Hause und ließ die Fenster offen. Kevin entdeckte den toten Ernie, und wir wissen, was er danach tat.«
»Ja«, sagte Gill Armitage gepresst.
»Es ist vorbei, Liebes, keine Angst.« Rory tätschelte seiner Frau den Arm.
»Vielleicht hat die Halswunde Kevin überhaupt erst auf die Idee gebracht«, sinnierte Markby.
»Oder er erinnerte sich an das Kneipenschild vom King’s Head Pub und assoziierte es mit Ernie.«
»Tod allen Tyrannen!«, deklamierte Rory unvermittelt.
»Vielleicht war es das, was dem Jungen durch das verdrehte Gehirn ging«, fügte er ein wenig sanfter hinzu.
»Vielleicht. Jedenfalls, die Schnitte des größeren Messers verbargen die des kleineren. Die Obduktion identifizierte ein großes, schweres Messer als Tatwaffe. Da Ernie höchstens zwanzig oder dreißig Minuten nach Janines tödlichem Überfall enthauptet wurde – vergessen Sie nicht, sie sah Kevin kommen –, fiel es nicht auf, dass die eigentliche Todesursache nicht die Enthauptung war. Die untersuchenden Pathologen hatten keinerlei Veranlassung zu glauben, dass jemand anderes als der Mörder Ernie enthauptet haben könnte. Sie nahmen an, dass der Täter ursprünglich vorgehabt hatte, den Leichnam in Stücke zu zerlegen, und seinen Plan aufgegeben hatte, nachdem der Kopf abgetrennt war. Man fand eine breite, schwere Klinge, passend zu den Wunden,
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