Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
gekannt haben.«
Und mit diesen Worten tippte sie auf das Bild und die Brautjungfer Violet Dawson.
Ihr Wille geschehe
KAPITEL 24
»GENAU WIE Meredith kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, was geschehen ist«, sagte Markby.
»Ich kann Ihnen verraten, wie es sich meiner Meinung nach zugetragen hat. Mit Ihrer Erlaubnis, Brigadier?«
Sie warteten auf Lawrence Smeatons Antwort. Smeaton hatte die Fotografien wieder eingesammelt und in den Umschlag zurückgesteckt. Er stopfte den Umschlag in seine Innentasche, begegnete Markbys fragendem Blick und nickte.
»Schießen Sie los. Bringen Sie alles ans Licht. Klären wir die verdammte Angelegenheit ein für alle Mal.« Er klang müde, doch entschlossen.
Sir Basil bedachte seinen alten Freund mit einem interessierten Blick, lehnte sich in seinem Sessel zurück, neben sich auf dem Tisch eine Flasche Pflaumenwein, und begnügte sich mit der Rolle des Beobachters.
»Also schön, ich sehe die Sache so«, begann Markby.
»Zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung verfassten Marcus und Olivia ihre Testamente, in denen jeder alles dem jeweils Überlebenden vermachte. Einfache, geradlinige Dokumente, die in wirren Zeiten abgefasst worden waren, mit einem Minimum an Einzelheiten, als Versicherung gegen die Unwägbarkeiten des Krieges und das Risiko, dass einer von beiden fallen würde. Leider fiel tatsächlich einer der beiden, nämlich Marcus. Er wurde nur wenige Monate nach der Hochzeit getötet und ließ Olivia als Witwe zurück. Doch sie war nicht allein. Ihre alte Schulfreundin Violet Dawson hatte von Anfang an mit ihnen gemeinsam unter einem Dach gelebt. Vielleicht ein wenig ungewöhnlich für ein frisch verheiratetes Paar, doch vergessen Sie nicht, es herrschte Krieg. Viele Leute waren ausgebombt und kamen bei Verwandten oder Nachbarn unter. Der gemeinsame Haushalt machte auch unter dem Aspekt der strengen Lebensmittelrationierung jener Tage Sinn.«
Markby sah Lawrence an.
»Es gibt andere Arten von gegenseitiger Anziehung zwischen Mann und Frau als die rein geschlechtliche, Brigadier, und falls es Sie tröstet, so denke ich, dass Olivia Ihren Bruder tatsächlich geliebt hat, selbst wenn ihre sexuellen Vorlieben woanders lagen. Sie war, wie verlautet, sehr betrübt über seinen Tod. Wir wissen nicht, warum sie nicht auf der Stelle ein neues Testament verfasst hat. Vielleicht wegen ihrer Trauer. Vielleicht, weil es nach dem Ende der Feindseligkeiten nicht mehr so dringlich erschien. Sie war immer noch eine junge Frau, vergessen Sie das nicht. Behrens, ihr späterer Anwalt und heutiger Nachlassverwalter, war außerstande, ein weiteres Testament aufzuspüren. Jedenfalls, fünfzehn Jahre nach dem Tod von Marcus Smeaton erscheint bei ihm eine Frau, die sich als Olivia Smeaton ausgibt, und bittet ihn, das Testament aufzusetzen, von dem wir heute alle wissen. Es erscheint daher plausibel, dass es zwischen diesem Testament und jenem aus Kriegszeiten kein anderes gegeben hat, und das neuere ersetzte das alte, das durch den Lauf der Ereignisse gegenstandslos geworden war. In der Zeit zwischen dem Tod ihres Mannes und dem neuen Testament, das Behrens für sie verfasste, war Olivia praktisch testamentslos. Diese Tatsache ist von entscheidender Bedeutung.« Markby legte eine Kunstpause ein.
»Erzählen Sie weiter!«, drängte Wynne.
»Ein Grund, warum die echte Olivia Smeaton die Regelung ihres Nachlasses so lange hinauszögerte, mag die Tatsache gewesen sein, dass sie mit ihrer Freundin und Lebensgefährtin Violet Dawson nach Frankreich zog, wo andere Gesetze bezüglich der Erbregelung gelten als hier in England. Violet besaß kein eigenes Geld, doch Olivia bezahlte sämtliche Ausgaben, und sie lebten sehr komfortabel. Bevor sie zu Olivia gezogen war, hatte Violet eine elende Existenz als bezahlte Begleiterin zahlreicher unsympathischer Auftraggeber gefristet. Sie besaß keine Ausbildung für irgendeine andere Arbeit. Nach ein paar Jahren in Frankreich beschlossen die beiden Frauen, nach England zurückzukehren. Sie machten sich auf den Weg, und die Reise quer durch Frankreich endete mit einem schrecklichen Unfall. Die Nachforschungen zu jener Zeit ergaben, dass Violet hinter dem Steuer gesessen hatte. Ich bezweifle das. Nach allem, was wir über Olivia wissen, kann ich mir kaum vorstellen, dass sie sich zufrieden zurücklehnte und von jemand anderem chauffieren ließ. Außerdem besteht im Hinblick auf die darauf folgenden Ereignisse Grund zu der Annahme, dass Violet
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