Ihr Wille Geschehe: Mitchell& Markbys Zehnter Fall
einschneidende Veränderung der äußeren Umstände erforderlich, um einen chronisch Misshandelten in die Rebellion zu treiben. Als der Junge seinen Peiniger tot vorfand, entlud sich all der aufgestaute Hass des Jungen und sein Verlangen nach Rache. Doch wenn das nicht geschehen wäre, hätte es keinen Grund gegeben, warum es nicht endlos so hätte weitergehen sollen.«
»Durchaus richtig.« Rory Armitage seufzte zustimmend.
»Kevin konnte nicht von Ernie weggehen, nicht einmal dann, als Olivia ihm genügend Geld hinterließ, um einen Neuanfang zu machen. Glauben Sie, dass Olivia dies bezweckt hat? Dass sie Kevin eine Chance geben wollte, sich zu lösen? Falls ja, hat sie sich verrechnet. Ernie musste nichts weiter tun, als das Geld von Kevin zu verlangen, und der Junge gab es heraus, voller Hass im Herzen, aber machtlos, Ernie zu widerstehen. Der arme kleine Mistkerl hat meinen Wagen ruiniert, und ich kann ihm deswegen nicht einmal böse sein. Er hat uns alle gehasst und hatte guten Grund dazu.«
»Nicht Olivia«, widersprach Wynne entschieden.
»Er hätte das mit ihrem Pony nicht tun dürfen. Ich hoffe nur, es stimmt, dass er sie nicht die Treppe hinuntergestoßen hat.« Sie blickte verstohlen zu Markby, und ihr Gesichtsausdruck flehte ihn an, etwas zu Kevins Entlastung zu sagen.
»Er sagt, er wäre es nicht gewesen«, räumte Markby ein.
»Niemand kann etwas anderes beweisen. Ich persönlich glaube übrigens nicht, dass er es war.« Wynne blickte erleichtert drein, doch Markby brachte sie gleich wieder außer Fassung, indem er fortfuhr:
»Was Janine angeht, so hatte sie möglicherweise ein Motiv – falls sie von dem kleinen Erbe wusste, das Olivia ihr in ihrem Testament vermacht hatte. Doch das ist weit hergeholt und schwierig zu beweisen.«
»Bestimmt nicht!«, protestierte Wynne.
»Es war so wenig Geld, und ihre Stelle als Haushälterin war viel mehr wert!« Sie schüttelte den Kopf, und eine Haarnadel fiel aus ihrem Chignon und landete klappernd auf dem Tisch.
»Aber wer hätte es andererseits für möglich gehalten, dass sie Ernie umgebracht hat?« Ringsum erhob sich zustimmendes Gemurmel. Markby nickte.
»Oh, sie hat Berry umgebracht, daran besteht kein Zweifel. Die Polizei hatte keine Probleme, ihre Geschichte von dem Exfreund zu knacken, der ihr angeblich das blaue Auge geschlagen hatte. Sie durchsuchte ihre Wohnung und fand das Messer, mit dem sie Berry die Kehle durchschnitten hatte, in ihrer Küchenschublade. Sie hatte es gründlich abgewaschen, doch es gibt einen schmalen Spalt, wo die Klinge im Griff verschwindet. Blut war in diesen Spalt geraten, und sie hat es übersehen … Was das Wie und Warum angeht …« Markby zuckte die Schultern.
»Janine brauchte Geld. Sie arbeitete für Olivia und hat andere Gelegenheitsjobs angenommen, doch in einem Dorf wie Parsloe St. John bieten sich nicht so viele Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Natürlich gibt es in jeder Gemeinde immer einen bestimmten Weg … und ohne Zweifel war Janine die Dorfhure. Ernie war einer ihrer Stammkunden. Angebot und Nachfrage regeln den Markt, genau wie in jedem anderen Geschäft. Parsloe St. John ist nicht der Nabel der Welt, und Janines Preise waren demzufolge bescheiden. Doch das so verdiente Geld half ihr zu überleben. Übrigens war Berry nicht, wie Meredith eine Weile geglaubt hat und viele andere vielleicht immer noch glauben, der Vater von Janines Kindern. Ich möchte das noch einmal betonen. Wir haben den Vater ausfindig gemacht. Er wohnt dreihundert Kilometer entfernt. Er hat die Kinder nicht gesehen, seit sie Säuglinge waren. Janine bekam von ihm keinerlei Unterhalt für die Kinder. Sie hatte keine andere Wahl, als zu tun, was immer in ihren Kräften stand, um die beiden Jungs durchzubringen. Und dann starb Olivia. Ich stimme zu, dass Janine keinen Grund hatte, Olivia zu schaden, selbst wenn sie von dem Testament wusste. Olivia Smeatons Tod war ein schwerer Schlag für sie. Sie verlor eine sichere Arbeitsstelle. Olivia hatte ihr zweihundert Pfund vermacht – doch sie hatte auch Ernie und Kevin jeweils zweihundert Pfund hinterlassen. Prompt nahm Ernie Kevins Geld an sich. Er hatte eine neue Freundin drüben in Long Wickham, wie Kevin wusste, und verprasste den größten Teil der Erbschaft, indem er sich mit dieser Freundin eine schöne Zeit machte. Er hatte vergessen, dass Janine ursprünglich aus Long Wickham kommt. Ihre Mutter lebt noch immer dort und hat Janine regelmäßig über alles informiert, was
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