Ihr wisst ja nicht, was Liebe ist
Lieblingstiere.
Pkws, Motorroller, Lieferwagen, Lastwagen rattern pausenlos an mir vorüber, dass ich gar nicht über die StraÃe komme. Ich bin nicht lebensmüde. Bin nur sauer auf Lenni.
Soll er doch auf dieser Müllhalde verschimmeln!
Huch, da hält der Jippi neben mir.
âKomm, SüÃe, steig ein!â Lenni greift durchs offene Fenster nach mir.
Ich strecke ihm die Zunge raus.
Ha, eine Lücke in der Autoschlange!
Hechtsprung hinüber und auf den Trampelpfad, der am Zirkus vorbei zum Strand führt.
Ich laufe, ich renne. Bin endlich am Wasser.
Igitt! Das ist kein Strand. Teerklumpen kleben an meinen Sandalen. Bohnenschalen und Möhrenreste dümpeln in den Wellen. Da kippen wohl die Schiffsköche ihren Abfall ins Meer.
Das ist ja höllenschrecklich hier!
Leander holt mich ein.
âTut mir leid, Kleineâ, sagt er brüderlich.
âNa komm schon. Wir starten in die Karibik und finden deinen Traumstrand!â
Er guckt so süÃ. Da muss ich lachen.
Traumstrand? Immerhin viel hellgelber Sand.
Wir stehen auf einem Parkplatz. Es gibt nur ein paar andere Autos, einen Campingbus voll Krabbelkinder und jungen Eltern und ein Luxus-Wohnmobil, aus dem ein Rentnerehepaar wackelt.
Wenigstens kein Dreck.
âOkay, Lenni! Wer zuerst im Wasser ist!â
Da tauchen aus dem Nichts zwei Typen in blaugrauen Uniformen auf. Ein Mann und eine Frau. Mittelalt und gefährlich ernst.
Polizei?
Suchen sie uns?
Sie steuern direkt auf uns zu. Vor Schreck bringe ich kein Wort heraus. Bitte, lieber Gott, nicht die nächste Katastrophe!
Die Uniformierten bleiben vor uns stehen.
Zücken Blöcke mit Parkscheinen.
Da kapiere ich: Das sind bloà Parkplatzwächter, keine Polizei!
Eine Stunde parken kostet acht Euro.
Jetzt bleibt Lenni der Mund offen stehen.
Ich opfere schnell einen Schein aus meinen Vorräten.
Und dann stürzen wir uns ins türkisblaue Meer.
Obwohl er so teuer ist, dürfen wir nicht einmal auf dem Parkplatz übernachten. Nur bis Mitternacht geöffnet, steht auf allen Schildern. Mitternacht nützt uns nichts.
âDiese Geier!â, flucht Leander.
Jajaja, soll er fluchen. Ich bin total frisch und salzig und mutig! Lenni kann so feige sein, wie er will. Ich will es wissen. Jetzt oder nie.
Ich hocke mich in den Schatten neben den Jippi und schalte mein Smartphone ein.
20. Galileo Galilei
Kind, bitte melde dich! Wir machen uns groÃe Sorgen! (Mami und Papi fünfmal, plus komplette Mailbox vollgelabert.)
Maylin, hier drehen alle komplett durch.
Wo steckt ihr denn? Deine Eltern wollen Mister W. verklagen. Kindeshinterziehung ist strafbar. Das Kind bist du!
Pia fünfmal, gesteigert zu: Elternkonferenz Bachmann/Hauswald!!! Die meinen es ernst!
Macht euch SOFORT auf den Heimweg!
âWas ist denn noch, Maylin? Los, steig ein, wir müssen einen Schlafplatz finden!â
âMüssen wir nicht, Lenni!â Meine Stimme klingt schon wieder tierisch rau und kratzig.
Ich möchte mich fürchterlich mit Lenni streiten.
Ihn anbrüllen. Ihn packen und treten, wie Klärchen es mit ihrem Gipsfuà gemacht hat.
Aber ich kann das nicht. Ich schlucke Angst und Ãrger runter, halte ihm nur das Display unter die Nase.
âWir müssen sofort nach Hause fahren, da, lies selbst!â, sage ich so ruhig wie möglich.
Er überfliegt die Nachrichten.
âJa, und? Ich wollte dich gar nicht mitnehmen.
Schalt das Ding aus und vergiss es einfach.â
In mir brodelt ein Vulkan.
âVergessen? Bist du noch ganz dicht?â,
explodiere ich. âDu kriegst eine Anzeige, wenn du mich nicht ganz schnell nach Hause bringst. Los, bring mich heim!â
Ich schwinge mich neben ihn. Er startet, bevor ich die Beifahrertür schlieÃen kann, und heizt den Jippi über den festgebackten Sand. Hinter uns wirbelt ein Sandsturm.
Treibt uns in ferne, wutglühende Galaxien.
Verbissen schweigend steuert Lenni das Auto.
Ich kaue an meiner Wut, schreibe eine SMS , dass wir gar nicht so schnell zurück sein können.
Dass es mir gut geht. Dass Lenni nichts dafür kann. Dass sie sich beruhigen sollen.
Aber das tun sie nicht. Sie wollen wissen, wo genau wir sind.
Ich schreibe PISA . Dann schalte ich das Smartphone aus.
Unsere Stimmung ist auf Minustemperatur gesunken.
Wir rumpeln über eine Strandpromenade.
Stop and go, überall wimmelt es von Familien mit kleinen Kindern.
Und plötzlich, vor
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