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Ilias

Ilias

Titel: Ilias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Homer
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Bereich der Natur und des täglichen Lebens, des Klimas oder des menschlichen Daseins. Doch haben diese Gleichnisse nicht nur die Funktion, Entferntes durch Näherliegendes, Unbekanntes durch Bekanntes zu veranschaulichen; sie dienen zugleich der Absicht, den Hörer ausführlich bei dem durch das Gleichnis erhellten Gegenstand verharren zu lassen, schaffen also durch eine Retardierung des Erzählens eine entsprechende Betonung des augenblicklichen Ereignisses. Zahl und Vielfalt der in ihnen zitierten, meist friedlichen Lebensbereiche lassen – in verbindendem Kontrast zu der kriegerischen Welt der Ilias  – jenen Eindruck einer Totalität der Weltdarstellung entstehen, den man seit jeher an Homers Werk bewundert hat. Gleichsam in einem Punkt versammelt wird dieses Streben nach einer umfassenden Darstellung der Welt in der berühmten Beschreibung des Schildes, den Hephaistos für Achilleus schmiedet (Buch 18). Der Bildschmuck dieses Schildes zeigt zwei Städte, von denen eine im Krieg (Belagerung und Verteidigung), die andere im Frieden (Arbeit, Hochzeit, Gerichtsverhandlung) lebt, über denen beiden der gestirnte Himmel sich wölbt und die der Weltstrom Okeanos umfließt.
    Das in dieser Schildbeschreibung exemplarisch ausgeprägte Bemühen des Dichters, in seinem Epos über die Grenzen der Ilias-Handlung hinaus das gesamte menschliche Leben einzufangen, kann kaum treffender illustriert werden als durch einen Vergleich mit Vergils Aeneis: Auch dort wird in ähnlichem Zusammenhang ein Schild beschrieben, der Schild des legendären Ahnherrn Roms, Aeneas; aber sein Schmuck entwirft nicht ein Bild des menschlichen Kosmos, sondern stellt die künftige römische Geschichte in ihren Höhepunkten dar bis hin zur Schlacht bei Actium. An die Stelle der Homerischen Betrachtung des Menschenlebens und des Weltganzen ist die Frage nach der Geschichte eines einzelnen Volkes getreten – dem griechischen Weltgedicht tritt das politische Epos Roms gegenüber.
    Klaus Joerden
    Aus: Kindlers Literatur Lexikon. 3., völlig neu bearbeitete Auflage.
    Herausgegeben von Heinz Ludwig Arnold (ISBN 9783-47604000-8). – © der deutschsprachigen Originalausgabe 2009 J. B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag, Stuttgart (in Lizenz der Kindler Verlag GmbH).

Aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur:
    Homer
    Mitte 8.  Jh. v.Chr.
    »Sieben Städte zankten sich drum, ihn geboren zu haben;/Nun, da der Wolf ihn zerriß, nehme sich jede ihr Stück!« So beschrieb Schiller die Wirkung von Friedrich August Wolfs Prolegomena ad Homerum von 1795. Gute 150 Jahre lang tobte dann ein Kampf zwischen Analytikern, die zahllose Ungereimtheiten und Widersprüche in Homers Ilias und Odyssee konstatierten und daraus auf unterschiedliche Autoren schlossen, und Unitariern, die an der einheitlichen Autorschaft festhielten. Heute neigt die große Mehrheit der Philologen, zumal der deutschsprachigen, wieder der These zu, die wohl einem unbefangenen Homerleser stets am nächsten gelegen hat, dass nämlich Ilias und Odyssee dichterische Werke von besonderer poetischer Kraft und hoher Einheitlichkeit sind. Die Argumente der Analytiker sind darum aber durchaus nicht vergebens gewesen, haben sie doch den Blick für die Eigentümlichkeiten der Vorgehensweise H.s sehr geschärft und dazu geführt, dass sozusagen kein Vers seiner beiden großen Epen unumgedreht geblieben ist. Eine wirkliche Wende in der Forschung brachte dabei die Oral poetry-Theorie, die Ilias und Odyssee mit rein mündlicher, improvisierender Heldendichtung vom Balkan verglich und nachweisen konnte, dass viele formale Eigenschaften von H.s Werken (feststehende Epitheta, deklinierbare Versteile; Verswiederholungen, typische Szenen, Kataloge) nur vor dem Hintergrund einer langen mündlichen Tradition und einer selber noch überwiegend mündlichen Kompositionstechnik verstanden werden können. Vor allem ermöglicht es diese Theorie, gewisse ›Versäuberungskanten‹ im Homertext zuzugeben, ohne dass daraus gleich auf mehrfache Autorschaft geschlossen werden muss. Sie lassen sich vielmehr als Produkt der Einarbeitung des dem H. aus der Sängertradition in Fülle vorliegenden mündlichen Materials erklären. H. steht also an der Grenze zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der griechischen Kultur, wobei man heute davon ausgeht, dass er sich selbst bei der Abfassung seines Werks schon der Schrift bedient hat. Neuere Forschungen zur mykenisch-minoischen Kultur fügen sich

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