Ilias
dem ersten Gemahl, nach Vaterstadt und Gefreunden.
Schnell in den Schleier gehüllt von silberfarbener Leinwand,
Flog sie hinweg aus der Kammer, die zarte Trän an den Wimpern;
Nicht sie allein; ihr folgten zugleich zwo dienende Jungfraun,
Äthra, des Pittheus Tochter, und Klymene, herrschenden Blickes.
Bald nun kamen sie hin, allwo das skäische Tor war.
Aber Priamos dort und Panthoos neben Thymötes,
Lampos und Klytios auch und Ares’ Sproß Hiketaon,
Auch Antenor der Held und Ukalegon, beide voll Weisheit,
Saßen, die Ältsten der Stadt, umher auf dem skäischen Tore,
Welche betagt vom Krieg ausruheten; doch in Versammlung
Redner voll Rat, den Zikaden nicht ungleich, die in den Wäldern
Aus der Bäume Gesproß hellschwirrende Stimmen ergießen:
Gleich so saßen der Troer Gebietende dort auf dem Turme.
Als sie nunmehr die Helena sahn zum Turme sich wenden,
Leise redete mancher und sprach die geflügelten Worte:
Tadelt nicht die Troer und hellumschienten Achaier,
Die um ein solches Weib so lang ausharren im Elend!
Einer unsterblichen Göttin fürwahr gleicht jene von Ansehn!
Dennoch kehr, auch mit solcher Gestalt, sie in Schiffen zur Heimat,
Ehe sie uns und den Söhnen hinfort noch Jammer bereitet!
Also die Greis’; und Priamos rief der Helena jetzo:
Komm doch näher heran, mein Töchterchen, setze dich zu mir,
Daß du schaust den ersten Gemahl und die Freund’ und Verwandten!
Du nicht trägst mir die Schuld; die Unsterblichen sind es mir schuldig,
Welche mir zugesandt den bejammerten Krieg der Achaier!
Daß du auch jenes Manns, des gewaltigen, Namen mir nennest,
Wer doch dort der Achaier so groß und herrlich hervorprangt!
Zwar es ragen an Haupt noch andere höher denn jener,
Doch so schön ist keiner mir je erschienen vor Augen,
Noch so edler Gestalt; denn königlich scheint er von Ansehn!
Aber Helena sprach, die edle der Fraun, ihm erwidernd:
Ehrenwert mir bist du, o teurer Schwäher, und furchtbar.
Hätte der Tod mir gefallen, der herbeste, ehe denn hieher
Deinem Sohn ich gefolgt, das Gemach und die Freunde verlassend
Und mein einziges Kind und die holde Schar der Gespielen!
Doch nicht solches geschah, und nun in Tränen verschwind ich! …
Jetzo will ich dir sagen, was du mich fragst und erforschest.
Jener ist der Atreide, der Völkerfürst Agamemnon,
Beides, ein trefflicher König zugleich und ein tapferer Streiter.
Schwager mir war er vordem, der Schändlichen; ach, er war es!
Jene sprach’s; und der Greis bewundert’ ihn, laut ausrufend:
Seliger Atreion, o gesegneter, glücklichgeborner!
Wahrlich doch, unzählbar gehorchen dir Männer Achaias!
Vormals zog ich selber in Phrygiens Rebengefilde,
Wo ich ein großes Heer gaultummelnder phrygischer Männer
Schauete, Otreus’ Volk und des götterähnlichen Mygdon,
Welches umher am Gestade Sangarios’ weit sich gelagert;
Denn ich ward als Bundesgenoß mit ihnen gerechnet
Jenes Tags, da die Hord amazonischer Männinnen einbrach;
Doch war minder die Zahl wie der freudigen Krieger Achaias!
Jetzo erblickt’ Odysseus der Greis und fragte von neuem:
Nenne mir nun auch jenen, mein Töchterchen; siehe, wie heißt er?
Weniger ragt er an Haupt als Atreus’ Sohn Agamemnon,
Aber breiteren Wuchses an Brust und mächtigen Schultern.
Seine Wehr ist gestreckt zur nahrungsprossenden Erde;
Doch er selbst, wie ein Widder, umgeht die Scharen der Männer.
Gleich dem Bock erscheinet er mir, dickwolliges Vlieses,
Welcher die große Trift weißschimmernder Schafe durchwandelt.
Ihm antwortete Helena drauf, Zeus’ liebliche Tochter:
Der ist Laertes’ Sohn, der erfindungsreiche Odysseus,
Welcher in Ithakas Reich aufwuchs, des felsichten Eilands,
Wohlgeübt in mancherlei List und verschlagenem Rate.
Und der verständige Greis Antenor sagte dagegen:
Wahrlich, o Frau, du hast untrügliche Worte geredet.
Denn auch hieher kam er vorlängst, der edle Odysseus,
Deinethalben gesandt, und der streitbare Held Menelaos.
Ich herbergete beid, in meinem Palast sie bewirtend,
So daß beider Gestalt und kluger Geist mir bekannt ist.
Als sie nunmehr in der Troer versammelten Kreis sich gesellet,
Ragt’ im Stehn Menelaos empor mit mächtigen Schultern;
Doch wie sich beide gesetzt, da schien ehrvoller Odysseus.
Aber sobald sie mit Red und Erfindungen alles umstrickten,
Siehe, da sprach Menelaos nur fliegende Worte voll Inhalts,
Wenige, doch eindringender Kraft; denn er liebte nicht Wortschwall,
Nicht abschweifende Rede,
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