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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Unterarm verborgen, und ich habe den Finger am Aktivator. »WENN DU DIE LEICHE DEINES FREUNDES HABEN WILLST, MUSST DU DICH SCHON ZU DEN HALLEN DES OLYMP DURCHSCHLAGEN, FEIGER ACHILLES!«
    Ich verpasse Patroklos eine Taserladung mitten in die gebräunte, haarlose Brust, und die nahezu unsichtbaren Elektroden und die unsichtbaren Drähte tragen 50.000 Volt in ihn hinein.
    Wie vom Blitz getroffen, greift Patroklos sich an die Brust, schreit auf, zuckt und windet sich, als hätte er einen epileptischen Anfall. Der Urin rinnt ihm am Schenkel hinab, dann bricht er zusammen.
    Bevor Achilles reagieren kann – der fußschnelle Krieger steht nackt da, mit geballten Fäusten und aus den Höhlen tretenden Augen, gelähmt vor Schreck –, lasse ich Athene zwei Schritte nach vorn treten, den zusammengebrochenen und scheinbar toten Patroklos an den Haaren packen und ihn grob über den Boden schleifen.
    Achilles’ Erstarrung löst sich, er fletscht die Zähne und zieht sein auf dem Sessel liegendes Schwert aus der Scheide.
    Athenes Gestalt verliert jetzt zitternd ihre Quantenmorphstabilität und wird von atmosphärischen Störungen durchzuckt wie ein schlechtes Fernsehbild. Ohne den schlaffen Patroklos loszulassen, berühre ich das Medaillon an meinem Hals und quanten-teleportiere ihn und mich blitzschnell aus Achilles’ Zelt.
     

33
Jerusalem und Mittelmeerbecken
    Savi führte Daeman und Harman vom Dach, die Leitern und Treppen hinunter und in eine der schmalen Gassen. Das Sternenlicht und der blaue Schein des Neutrinostrahls auf dem Tempelberg erzeugten gerade genug Helligkeit, dass sie beim Laufen nicht gegen Wände stießen oder in Schächte stürzten, obwohl die Schatten in den Torwegen und leeren Fensterhöhlen pechschwarz waren. Daeman fiel bald keuchend zurück. Er war noch nie gerannt, nicht einmal als Kind. Es war eine absurde Tätigkeit.
    Das Kratzen und Scharren der aberhundert heranstürmenden Voynixe klang jetzt näher. Im Gewirr der Gebäude mit den Flachdächern und den labyrinthischen Gassen schienen sie höchstens noch ein paar Häuser entfernt zu sein.
    Itbach al-Jahud!, schnarrte die Stimme aus den Lautsprechern, die Savi Muezzins genannt hatte.
    Savi führte sie über eine Straße mit Kopfsteinpflaster in eine dunkle, schmale Gasse, über einen kleinen Platz, auf dem leuchtend weiße Menschenknochen verstreut lagen, und in einen Innenhof, wo es noch dunkler war als in der Gasse. Das dumpfe Peds-Getrommel und Manipulatorscharren der Voynixe, die in hohem Tempo an Wänden entlangrannten, kam immer näher.
    Itbach al-Jahud! Der verstärkte Ruf klang drängender.
    Von uns dreien ist nur Savi eine Jüdin, was immer das sein mag, dachte Daeman. Seine Lungen brannten, während er hinter den beiden anderen hertaumelte. Wenn Harman und ich uns von ihr trennen, lassen die Voynixe uns bestimmt in Ruhe. Wahrscheinlich helfen sie uns sogar, nach Hause zu kommen. Es gibt keinen Grund, weshalb wir ihr Schicksal teilen sollten.
    Harman lief, so schnell ihn die Beine trugen, hinter Savi her, die den Hof überquerte und durch einen niedrigen Bogengang in die Ruinen eines uralten Gebäudes tauchte. Aber ich komme auch allein zurecht, dachte Daeman. Harman kann ja bei ihr bleiben, wenn er will.
    Daeman kam auf dem staubigen Kopfsteinpflaster schlitternd zum Stehen. Harman hielt im schwarzen Rechteck eines Torwegs inne und winkte ihm, ihnen zu folgen. Daeman schaute sich zu den Geräuschen hinter ihnen um – wie Klauen oder hohle Knochen, die gegen Stein klapperten – und sah im Licht des blauen Strahls den ersten von einem Dutzend Voynixen in die Straße laufen, die sie gerade überquert hatten.
    Er spürte, wie sein Herz einen Schlag aussetzte – Angst war ein ungewohntes Gefühl für ihn, und die Vorstellung, jetzt auf sich allein gestellt zu sein, flößte ihm am meisten Furcht ein –, dann rannte er hinter Harman und der alten Frau her in den dunklen Torweg.
    Savi führte sie eine Reihe immer schmalerer Treppen hinunter. Jede war älter und ausgetretener als die vorherige. Nach der vierten Treppe holte sie eine Taschenlampe aus ihrem Rucksack und schaltete sie ein, als sich der letzte Rest des matten, reflektierten blauen Lichts von oben verlor. Der dünne Strahl fiel auf eine Wand am Fuß der schmälsten Treppenflucht, und Daemans Herzschlag setzte erneut aus. Dann sah er so etwas wie einen Lappen aus schmutzigem Sackleinen; er hing über einem Loch, das ganz bestimmt zu klein für ihn war.
    »Schnell«, flüsterte

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