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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Savi. Sie zog das Sacktuch beiseite und schlüpfte durch das Loch. Daeman hörte hallende Geräusche, wie aus einem Brunnen. Harman folgte der alten Frau rasch in die Schwärze.
    In der Hausruine über Daeman ertönte ein Kratzen und Scharren, aber auf der Treppe waren keine Voynixe zu hören. Zumindest noch nicht.
    Er bückte sich, steckte den Kopf in das kleine Loch und zwängte seine Schultern hindurch. Er hing über einem bodenlosen schwarzen Rund von etwas über einem Meter Durchmesser. Dann ertasteten seine suchenden Hände Eisensprossen an der gegenüberliegenden Wand, und er zog den Oberkörper und die Hüften mit einem Ächzen durch die Öffnung. Haut scheuerte über moderigen Putz, bis seine Beine schließlich frei waren und nach unten hingen. Dann fanden seine Füße Halt auf den rostigen Metallsprossen, und er begann, zu den gedämpften Geräuschen Savis und Harmans hinabzuklettern, die unter ihm in die Tiefe stiegen.
    Kalte Luft strömte ihm von unten übers Gesicht. Daeman tastete sich mit Händen und Füßen unsicher abwärts, von einer kalten Sprosse zur nächsten. Er hörte Flüstern unter sich, und auf einmal fanden seine Füße keine Sprossen mehr, und er fiel knapp anderthalb Meter tief auf einen Ziegelboden.
    Harman hielt ihn fest. Daeman sah den Lichtkegel von Savis Taschenlampe, der einen runden Tunnel aus alten Ziegeln erleuchtete.
    »Hier entlang«, sagte sie leise und setzte sich gebückt in Bewegung, um nicht an die niedrige Decke zu stoßen. Harman und Daeman liefen ihr nach. Sie versuchten, den unregelmäßig geformten Ziegelsteinen im gekrümmten Boden auszuweichen, indem sie nicht auf ihre eigenen Füße, sondern auf den Lichtkreis von Savis Taschenlampe schauten.
    Sie kamen an eine Tunnelkreuzung. Savi warf einen Blick auf ihre leuchtende Handflächenfunktion, und sie nahmen den linken Gang.
    »Ich höre keine Voynixe mehr hinter uns«, sagte Harman. Er hatte leise gesprochen, aber seine Stimme hallte trotzdem von der gekrümmten Ziegelwand wider. Als größter der drei musste Harman sich beim Gehen am tiefsten bücken.
    »Sie sind über uns«, sagte Savi. »Sie folgen uns auf den Straßen.«
    »Benutzen sie Proxnet?«, fragte Daeman.
    »Ja.« Sie hielten an einer weiteren Kreuzung inne und entschieden sich für den mittleren von drei kleineren Gängen. Hier mussten sie sich alle tief bücken.
    Harman sah Daeman erneut an. Die Proxnet-Bemerkung hatte offenbar seine Neugier geweckt, aber er stellte jetzt keine Fragen.
    »Sie folgen euch, wisst ihr«, sagte Savi und blieb stehen, um erst Daeman und dann Harman anzuschauen. Im grellen Lichtschein der Taschenlampe wirkte ihr Gesicht noch älter und hatte noch mehr Ähnlichkeit mit einem Totenschädel.
    »Nicht dir?«, sagte Daeman überrascht.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich werde von keinem Netz registriert. Die Voynixe wissen nicht einmal, dass ich hier bin. Aber ihr beiden taucht auf ihren Farnet- und Proxnet-Scans auf, und zwar im Sperrgebiet. Ich glaube, das nächste Faxportal ist Mantua. Sie wissen, dass ihr nicht so weit gelaufen seid.«
    »Wo wollen wir jetzt hin?«, flüsterte Harman. »Zum Sonie?«
    Savi schüttelte erneut den Kopf. Ihr graues Haar war nass vom Schweiß oder von Kondenswasser und klebte ihr am Schädel. »Diese Tunnels führen nicht aus der Altstadt hinaus. Und die Voynixe haben das Sonie inzwischen funktionsunfähig gemacht. Ich will zum Crawler.«
    »Crawler?«, sagte Daeman, aber statt ihm eine Erklärung zu geben, wandte Savi sich ab und setzte ihren Weg durch die Tunnels fort.
    Hundert Schritte weiter verwandelte sich der runde Ziegeltunnel in einen engen Durchgang, der nach weiteren dreißig Schritten in eine Treppe mündete, und dann standen sie vor einer Mauer.
    Daeman spürte, wie sein Herz sich durch die Mauer seiner Brust zu schlagen versuchte. »Und nun?«, fragte er. »Was machen wir jetzt? Was machen wir jetzt?« Er wirbelte vom Licht weg und horchte angespannt nach Voynix-Geräuschen in der Dunkelheit.
    »Wir klettern.«
    Daeman sah Savi in einem weiteren senkrechten Schacht verschwinden – dieser war noch enger als derjenige, in dem sie abgestiegen waren –, dann wurde es dunkel, als das Taschenlampenlicht über ihnen tanzte.
    Harman sprang nach der untersten Sprosse, verfehlte sie, fluchte leise, sprang erneut, bekam sie zu fassen und zog sich hoch. Daeman sah undeutlich die Konturen von Harmans Hand, als dieser zu ihm herunterlangte. »Komm, Daeman. Schnell. Die Voynixe sind wahrscheinlich

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