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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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man ihn als Einzigen nicht in die Expeditionsvorbereitungen einbezogen hatte, wahrscheinlich weil seine Aufgabe – die Dark Lady durch die Marsmeere zu fahren – so unwichtig war. Vielleicht, dachte er, sollte ich doch lieber aus dieser Expedition aussteigen.
    Proust?, wandte er sich per Engstrahl an den großen Ionier.
    Schade, dass wir nicht zur Erde fliegen, mein Freund. Wir könnten Stratford-on-Avon einen Besuch abstatten.
    Und einen Souvenirbecher kaufen w ar ein alter Scherz zwischen ihnen, aber im aktuellen Kontext wirkte er wieder komisch. Mahnmut schickte per Engstrahl ein passables Simulakrum von Orphus polterndem Gelächter, und das große Konstrukt rumpelte zur Erwiderung so heftig, dass alle vier anderen es durch die dichte Luft hören konnten.
    Ri Po lachte nicht. Er rechnete offenbar. »Der Abschuss durch die Schere würde uns auf fast ein Fünftel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigen, und selbst nach einem drastischen Magnetschaufel-Bremsmanöver im inneren Planetensystem hätten wir noch eine Anfluggeschwindigkeit von ungefähr einem Tausendstel der Lichtgeschwindigkeit – über dreihundert Kilometer pro Sekunde. Wir werden also ziemlich rasch zum Mars kommen, selbst wenn er auf der anderen Seite der Sonne ist, so wie jetzt. Aber hat sich auch jemand überlegt, wie wir abbremsen können, sobald wir dort sind?«
    »Ja«, sagte Orphu von Io, und sein Rumpeln verklang. »Das haben wir.«
     
    Selbst nach den dreißig Jupiterjahren seines Daseins gab es niemanden auf Europa, von dem Mahnmut sich verabschieden konnte. Sein Forschungspartner, Urtzweil, war vor achtzehn J-Jahren in einer sich schließenden Wasserrinne in der Nähe des Pwyll-Kraters zerstört worden, und Mahnmut hatte seither zu keinem anderen mit Bewusstsein ausgestatteten Wesen mehr eine tiefere Beziehung entwickelt.
    Sechzehn Stunden nach der Konferenz forderte die Conamara-Chaos-Hauptbasis spezielle Orbitalschlepper an, die die Dark Lady aus einer offenen Wasserrinne hievten und in die Umlaufbahn brachten. Dort verstauten Hochvakuum-Moravecs unter Orphu von Ios Aufsicht das U-Boot in dem wartenden Marsschiff, das anschließend von uralten interlunaren Induktionsschleppern bergab nach Io transportiert wurde. Mahnmut und die anderen drei Expeditions-Moravecs hatten kurz besprochen, ob sie das Raumschiff taufen sollten, aber die Fantasie ließ sie irn Stich, der Impuls verlor sich, und von da an nannten sie es nur »das Schiff«.
    Wie die meisten in den Jahrtausenden seit den Anfängen der Raumfahrt von Moravecs konstruierten Raumschiffe war auch dieses nicht gerade elegant, zumindest nicht nach klassischen Maßstäben. Es war hundertfünfzehn Meter lang und bestand hauptsächlich aus Buckykarbon-Trägern. Dazu besaß es mit gekräuseltem Strahlenschutzmaterial umhüllte Modulnischen, halbautonome Schnüffelsonden sowie Dutzende von Antennen, Sensoren und Seilen. Das Schiff unterschied sich merklich von den Raumfahrzeugen des Jupitersystems, vor allem wegen seines glänzenden magnetischen Dipol-Kerns und seiner sportlichen Ausleger-Deflektoren.
    In der klobigen Schnauze waren vier Fusionstriebwerksglocken und die fünf Hörner der Matloff-Fennelly-Schaufel untergebracht. Ein zehn Meter großer Pickel am Heck enthielt das zusammengefaltete Borsegel. Die Schaufel und das Segel würden erst beim Bremsmanöver benötigt werden, und die Fusionstriebwerke hatten nichts mit der Beschleunigungsphase der Mission zu tun.
    Mahnmut blieb in der nunmehr mit Gel gefüllten Dark Lady, während Koros III. und Ri Po sechzig Meter entfernt im vorderen Kontrollmodul saßen, das sie inzwischen als »Brücke« bezeichneten. Der Plan sah vor, dass Ri Po während ihrer kurzen Achterbahnfahrt ins System alle Navigationsaufgaben übernahm, während Koros III. als nomineller Kommandant der Expedition fungierte. Kurz bevor die Dark Lady – vom Gel befreit – in die Marsatmosphäre ausgesetzt wurde, sollte der Ganymeder in Mahnmuts U-Boot umsteigen. Sobald dieses sich in den Ozeanen des Mars befand, sollte Mahnmut den Taxifahrer spielen und Koros III. zu der Landungsstelle bringen, die der befehlshabende Ganymeder für seine Spionageaktion an Land auswählte. Koros hatte etliche Details der Mission heruntergeladen bekommen, die Mahnmut nicht betrafen.
    Orphu von Io hatte sich in seiner Krippe an der Außenhülle des Schiffes hinter den zehn Solenoid-Tori und vor den Segelseilstreben niedergelassen und war durch alle erdenklichen Stimm-, Daten- und

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