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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Hall. Die riesigen, kugelrunden, absurden Brüste füllten sich immer wieder von neuem mit einer strudelnden, fotolumineszenten roten Flüssigkeit, deren Pegel manchmal stieg, manchmal fiel; ab und zu rauschte sie auch wie ein Wasserfall innen am Bauch und den Beinen hinab und stieg dann wieder ganz bis zu den erhobenen Armen und dem lächelnden Gesicht auf. Das vom Bauch, den Brüsten und massiven Pobacken ausgehende Licht färbte die obersten Etagen höherer Gebäude überall im Krater rubinrot.
    »Wie heißt das Ding?«, fragte sie.
    »La putain énorme«, sagte Ada.
    »Was bedeutet das?«
    »Kein Mensch weiß es«, sagte Harman. Er befahl dem Voynix, nach links auf eine wacklige Brücke abzubiegen, und sie fuhren mit lautem Klipp-Klapp auf eine Insel – oder vielmehr, es war einmal eine Insel gewesen, als der Fluss der trockenen Schädel noch Wasser geführt hatte – und zu den Ruinen eines Gebäudes, das einmal sehr groß gewesen sein musste. Jetzt stand eine niedrige, dunkelrot leuchtende Kuppel in den eingestürzten Mauern wie ein fremdartiges Ei in einem Nest aus verstreuten Steinen.
    »Warte hier«, befahl Harman dem Voynix und führte die beiden Frauen durch die überwucherten Ruinen in die durchsichtige Kuppel.
    Eine weiße Steinplatte, etwas über einen Meter hoch, nahm die Mitte des Raumes ein. Am Fußende der Platte waren Rinnen, und im Steinboden waren Abflussöffnungen. Hinter und über der Platte erhob sich die primitive Statue eines nackten Mannes, die aus demselben weißen Stein gehauen war. Der Mann hielt einen Bogen und einen gekerbten Pfeil in den Händen.
    »Das ist Marmor.« Hannah strich über die Oberfläche des Steinblocks. Mit Stein kannte sie sich aus. »Was ist das hier?«
    »Ein Apollo-Tempel«, sagte Harman.
    »Ich habe von diesen neuen Tempeln gehört«, sagte Ada, »aber noch nie einen gesehen. Ich dachte, es gäbe nur wenige – ein paar Altäre im Wald, eher ein Gag oder so.«
    »Solche Tempel gibt es in Paris-Krater und den anderen Großstädten an jeder Ecke«, erwiderte Harman. »Tempel für Athene, Zeus, Ares … für alle Götter aus der Turin-Geschichte.«
    »Die Rinnen und Abflüsse …«, begann Hannah.
    »Abläufe für das Blut der geopferten Tiere«, erklärte Harman. »Meist Schafe und Rinder.«
    Hannah trat von der Platte zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Die Leute … töten die Tiere doch nicht etwa?«
    »Nein«, sagte Harman. »Das überlassen sie den Voynixen. Noch.«
    Ada stand in der offenen Tür. Regen tropfte an dem leuchtenden Portal herab und verwandelte es in einen purpurrot gefärbten Wasserfall. »Was war das hier … früher? Die Ruinen?«
    »Höchstwahrscheinlich ein Tempel des Untergegangenen Zeitalters«, meinte Harman.
    »Für Apollo?« Hannahs Körper war starr. Sie hatte die Arme fest vor der Brust verschränkt.
    »Das glaube ich nicht. In den Trümmern liegen kleine Stücke von Statuen herum – keine Götter, keine Menschen, keine Voynixe … eher so eine Art … Dämonen, glaube ich. Man nannte sie ›Wasserspeier‹ – aber ich weiß nicht genau, was sie bedeuten.«
    »Lasst uns von hier verschwinden«, sagte Ada.
     
    Jenseits des Schädelflusses und ein Stück weiter westlich in Richtung zum Krater endeten die breiten Boulevards, wo die Gebäude aus dem Untergegangenen Zeitalter von neueren, höheren Konstruktionen gekrönt waren – einige noch ganz neu, wahrscheinlich keine tausend Jahre alt –, einem emporstrebenden Gitterwerk aus schwarzer Buckyspitze und Bambus-Drei. Hannah rief eine Funktion auf, um zu Daeman zu finden, und das Lichtrechteck, das über ihrer linken Handfläche schwebte, leuchtete bernsteinfarben, rot und dann wieder grün, als sie über Treppen und mit Fahrstühlen von der Straßenebene zur Zwischenebene, von dort zur hängenden Esplanade fünfzehn Stockwerke über den alten Dächern und dann weiter nach oben zu den Wohnbereichen gelangten. Hannah hielt am Geländer der Esplanade inne und schaute hinunter, gebannt wie die meisten, die zum ersten Mal in das starre rote Auge kilometertief unten im bodenlosen schwarzen Kraterrund blickten; Ada musste sie am Ellbogen wegziehen und zum nächsten Lift und der nächsten Treppe führen.
    Überraschenderweise war es ein Mensch und kein Servitor, der ihnen die Tür zu Daemans Domi aufmachte. Ada stellte ihre Gruppe vor, und die Frau, die wie alle Dritt- und Viertzwanziger wie Mitte vierzig aussah, erklärte, sie sei Marina, Daemans Mutter. Sie führte sie in

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