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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sarkastischen Beiklang.
    Harman ließ sich nicht abschrecken. Die Bewegungen seiner gefalteten Hände folgten der Klangmelodie der Silben. »Ja. Aber es geht nicht nur um ein Raumschiff … das ist natürlich das höchste Ziel … sondern um irgendein Fluggerät. Einen Jinker. Ein Sonie. Einen Ultraleichtgleiter. Irgendetwas, womit wir die Gebiete zwischen den Faxknoten erkunden könnten …«
    Daeman lehnte sich zurück, um Abstand von Harmans Intensität zu gewinnen, und verschränkte die Arme. »Warum besteht ihr so darauf? Und weshalb kommt ihr damit ausgerechnet zu mir?«
    Ada berührte ihn am Arm. »Daeman, Hannah und ich haben von verschiedenen Leuten erfahren, dass du bei einer Party in Ulanbat – ungefähr vor einem Monat, glaube ich – erzählt hast, du hättest eine Frau kennen gelernt, die ein Raumschiff gesehen haben will … und die angeblich davon gesprochen hat, von einem Knoten zum anderen zu fliegen …«
    Daeman gelang es, einen Moment lang verständnislos und genervt zugleich dreinzuschauen, aber dann lachte er und schüttelte den Kopf. »Die Hexe«, sagte er.
    »Hexe?«, fragte Hannah überrascht.
    Daeman breitete die Hände zu einer ähnlich anmutigen, indifferenten Geste aus wie zuvor seine Mutter. »So haben wir sie genannt. Ihren richtigen Namen habe ich vergessen. Eine Verrückte. Offenbar in ihrem letzten Zwanziger …« Er warf Harman einen Blick zu. »Manche Leute verlieren ein bisschen den Bezug zur Wirklichkeit, wenn sie alt werden.«
    Harman lächelte und ignorierte die Stichelei. »Du erinnerst dich nicht an den Namen dieser Frau?«
    Daeman machte erneut eine Geste, diesmal weniger anmutig. »Nein.«
    »Wo hast du sie kennen gelernt?«, fragte Ada.
    »Beim letzten Burning Man. Vor anderthalb Jahren. Ich weiß nicht mehr, wo es stattgefunden hat … aber kalt war es dort. Ich habe mich einfach ein paar Freunden aus Chom angeschlossen, als sie hingefaxt sind. Feierliche Bräuche des Untergegangenen Zeitalters haben mich noch nie sonderlich interessiert, aber bei dieser Zusammenkunft waren viele hinreißende junge Frauen.«
    »Ich war auch da!«, rief Hannah mit leuchtenden Augen. »Wir waren so an die zehntausend Leute.«
    Harman zog ein mehrfach gefaltetes Blatt Papier aus einer Tasche seines Gewandes und entfaltete es auf dem Polsterhocker zwischen ihnen. »Weißt du noch, welcher Knoten es war?«
    Hannah schüttelte den Kopf. »Einer der halb vergessenen. Der leeren. Die Organisatoren haben den Knotencode am Tag vor dem Fest herumgeschickt. Ich glaube, dort hat niemand gewohnt. Es war ein felsiges Tal mitten im Schnee. Ich weiß noch, dass es während des fünftägigen Burning Man Tag und Nacht hell war. Und kalt. Die Servitoren hatten ein Planck-Feld über das ganze Tal gelegt und im Tal selbst an verschiedenen Stellen Heizkörper aufgestellt, sodass es nicht ungemütlich war, aber niemand durfte die Umgrenzung des Tales verlassen.«
    Harman schaute auf sein verblichenes, von Falten durchzogenes Blatt Mikrovellum. Es war mit krakeligen Linien, Punkten und geheimnisvollen Runen bedeckt, die denen in Büchern ähnelten. Er zeigte mit einem Finger auf einen Punkt am unteren Rand. »Hier. In der ehemaligen Antarktis. Ein Knoten namens ›Trockental‹.«
    Daeman sah ihn verständnislos an.
    »Das ist eine Karte, an der ich seit fünfzig Jahren arbeite«, erklärte Harman. »Eine zweidimensionale Darstellung der Erde, auf der alle bekannten Faxknoten mitsamt ihren Codes verzeichnet sind. ›Antarktis‹ war im Untergegangenen Zeitalter der Name für einen der sieben Kontinente. Ich habe sieben antarktische Faxknoten eingetragen, aber nur einer davon – dieses Trockental, von dem ich zwar schon gehört, das ich aber noch nie besucht habe – ist schnee- und eisfrei.«
    Das half Daeman offenkundig auch nicht auf die Sprünge. Selbst Ada und Hannah schauten verwirrt drein.
    »Ist nicht so wichtig«, sagte Harman. »Aber wenn die Sonne Tag und Nacht am Himmel stand, dann ist dieses Trockental der wahrscheinliche Faxport. Im polaren Sommer gibt es Tage, an denen die Sonne dort nicht untergeht.«
    »In Chom geht die Sonne im Juni nicht unter«, sagte Daeman sichtlich gelangweilt. »Ist das in der Nähe deines Trockentals?«
    »Nein.« Harman deutete auf einen Punkt am oberen Rand der Karte. »Ich bin ziemlich sicher, dass Chom auf dieser großen Halbinsel hier oben ist, über dem arktischen Polarkreis. In der Nähe des Nordpols, nicht des Südpols.«
    »Des Nordpols?«, sagte Ada.
    Daeman

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