Ilium
gewesen, als die schwarzen Schiffe der Achäer am Horizont aufgetaucht waren, und bis vor ein paar Wochen hatte sein Vater dem empfindsamen Jungen noch verboten, sich der Armee außerhalb von Iliums Mauern anzuschließen. Simoeisios gestand mir, er habe Angst vor dem Sterben – nicht so sehr vor dem Tod selbst, sagte er, sondern davor, dass er sterben könne, bevor er die Brust einer Frau berührt oder gespürt habe, wie es sei, verliebt zu sein.
Nun stößt der große Ajax einen Schrei aus und mit seiner Lanze zu, schlägt Simoeisios’ Schild beiseite und trifft den Jungen über der rechten Warze in die Brust, zertrümmert ihm die Schulter und durchbohrt ihn mit der bronzenen Spitze, bis sie dreißig Zentimeter weit aus dem zerfleischten Rücken des Jungen ragt. Simoeisios sinkt taumelnd auf die Knie und starrt erstaunt erst Ajax und dann die Lanze an, die ihm aus der Brust ragt. Der große Ajax setzt seinen sandalenbewehrten Fuß auf Simoeisios’ Gesicht, reißt ihm die Lanze heraus und lässt den Körper des Jungen mit dem Gesicht nach vorn in den blutfeuchten Staub fallen. Er schlägt sich auf seinen Brustharnisch und befiehlt seinen Männern mit lauter Stimme, ihm zu folgen.
Ein Trojaner namens Antiphos, der keine acht Meter entfern steht, schleudert seinen Speer nach dem großen Ajax. Der Speer verfehlt sein Ziel, trifft jedoch einen Achäer namens Leukos in den Unterleib, der Odysseus gerade hilft, die Leiche eines weiteren trojanischen Hauptmanns wegzuschleifen. Der Speer fähr Leukos durch den Unterleib und tritt an seinem Anus aus; an der Spitze hängen graurote Dickdarmschlingen und Eingeweide. Leukos fällt auf die Leiche des trojanischen Hauptmanns, lebt jedoch noch einen schrecklichen Moment lang weiter; er windet sich, packt den Speer und versucht, ihn aus seinem Unterleib zu ziehen, was aber nur dazu führt, dass sich noch mehr Gedärm in seinen Schoß ergießt. Leukos schreit ununterbrochen, während er an dem Speer und am blutigen Arm seines Freundes Odysseus zerrt.
Endlich stirbt Leukos. Seine Augen werden glasig; die eine Hand ist immer noch um Antiphos’ Speer gekrampft, die andere klammert sich an Odysseus’ Handgelenk. Odysseus löst sich aus dem Griff des Toten und fährt herum. Seine dunklen Augen lodern unter dem Rand seines Bronzehelms, suchen ein Ziel – irgendein Ziel. Er schleudert seinen Wurfspeer und läuft hinterher. Weitere Achäer folgen ihm in die Lücke, die er in die trojanischen Linien reißt.
Odysseus’ erster Speerwurf tötet Demokoon, einen unehelichen Sohn von Iliums König Priamos. Vor neun Jahren war ich an jenem Morgen in der Stadt, als Demokoon kam, um bei der Verteidigung von Ilium mitzuhelfen. Es war allgemein bekannt, dass Priamos dem jungen Mann die Leitung seines berühmten Rennstalls in Abydos übertragen hatte, einer Stadt nordöstlich von Troja am Südufer des Hellespont, um ihn vor seiner Frau und seinen ehelichen Söhnen zu verbergen. Die Pferde von Abydos waren die schnellsten und besten der Welt, und es hieß, Demokoon betrachte es als eine Ehre, schon in so jungen Jahren zum Stallmeister ernannt worden zu sein. Jetzt ist dieser junge Trojaner gerade im Begriff, sich Odysseus auf dessen wutentbrannten Kriegsschrei hin zuzuwenden, als ihn die bronzene Speerspitze in die linke Schläfe trifft und an der rechten wieder austritt, ihn von den Beinen reißt und seinen zersplitterten Schädel an die Unterseite eines umgekippten Streitwagens nagelt. Demokoon hat buchstäblich nicht gewusst, wie ihm geschah.
Die Trojaner ziehen sich jetzt auf ganzer Linie zurück, ergreifen die Flucht vor der Wut Odysseus’ und des großen Ajax’, versuchen, ihre edlen Toten mitzunehmen, wenn möglich, und lassen sie liegen, wenn nicht.
Hektor, der größte Kämpfer und wackerste Recke Iliums, springt von seinem Kommando-Streitwagen und watet in die Woge seiner zurückweichenden Krieger hinein, versucht, seine Lanze und sein Schwert zum Einsatz zu bringen und die Trojaner zu bewegen, dem Angriff standzuhalten, aber die Achäer sind zu stark an dieser Frontausbuchtung, und sogar Hektor weicht zurück, wobei er seine Männer pausenlos auffordert, die Disziplin zu wahren. Die Trojaner kämpfen, schlagen mit ihren Schwertern zu und werfen ihre Speere, während sie sich zurückziehen.
Zu einem unwichtigen trojanischen Lanzenkämpfer gemorpht, gebe ich schneller Fersengeld als die meisten anderen und achte darauf, außer Reichweite der Speere zu bleiben. Soll man mich ruhig
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