Ilium
Thessalier aus Pherai), Polyxeinos (Mitanführer der Epeier), Polyxeinos’ Freund Thalpios, Thoas (Befehlshaber der Ätoler), Leonteus und Polypoites in ihrer charakteristischen argissanischen Tracht, außerdem Machaon und sein Bruder Podaleirios, hinter denen ihre diversen thessalischen Leutnants stehen, Odysseus’ treuer Freund Leukos (dem es bestimmt ist, in ein paar Tagen von Anthiphos getötet zu werden), und andere, die ich mit den Jahren gut kennen gelernt habe, nicht nur vom Sehen, sondern auch vom Klang ihrer Stimme her und durch ihre jeweils typische Art zu kämpfen, zu prahlen und den Göttern Opfergaben darzubringen. Falls ich es bisher noch nicht erwähnt habe: Die alten Griechen, die hier versammelt sind, tun nichts halbherzig – sie bieten bei allem ihr ganzes Können auf und laufen bei jeder ihrer Unternehmungen »das volle Risiko des Scheiterns«, wie es ein Wissenschaftler des zwanzigsten Jahrhunderts einmal ausgedrückt hat.
Gegenüber von Agamemnon und rechts von Achilles stehen Patroklos – der beste Freund des Männertöters, dessen Tod durch Hektors Hand Achilles’ wahren Zorn und das größte Gemetzel in der Geschichte des Krieges auslösen wird – und Tlepolemos, der schöne Sohn des mythischen Helden Herakles, der den Onkel seines Vaters getötet hat, daraufhin von zu Hause geflohen ist und bald von Sarpedons Hand sterben wird. Zwischen Tlepolemos und Patroklos steht der alte Phönix (Achilles’ treuer Freund und ehemaliger Lehrer) und flüstert dem Sohn von Diokles, Orsilochos, etwas zu, der schon sehr bald von Äneas getötet werden wird. Links vom zornbebenden Achilles ist Idomeneus, in viel besserer Freund des Männertöters, als ich nach dem Epos vermutet hatte.
Im innersten Kreis stehen natürlich noch mehr Helden, und zahllose weitere befinden sich in der Menge hinter mir, aber Sie verstehen schon, worauf ich hinaus will. Niemand bleibt namenlos, weder in Homers Versepos noch in der Alltagswirklichkeit hier auf der Ebene von Ilium. Jeder Mann trägt den Namen seines Vaters, seine Geschichte, seine Ländereien, Frauen, Kinder und Leibeigenen beständig mit sich herum, bei allen kriegerischen wie auch rhetorischen Begegnungen. Das kann einen schlichten Wissenschaftler schon manchmal zermürben.
»Sinne mir nicht so auf Trug, gottgleicher Achilles, der du beim Würfeln, im Krieg und die Frauen betrügst!«, ruft Agamemnon. »Mich hintergehst du nicht! Du hast die Sklavin Briseis, eine der schönsten Frauen, die wir je geraubt haben; sie ist genauso schön wie meine Chryseis. Du selbst willst dein Ehrengeschenk behalten, und ich soll leer ausgehen? Niemals! Lieber würde ich den Oberbefehl über unser Heer Ajax hier übergeben … oder Idomeneus … oder dem listenreichen Odysseus dort … oder dir, Achilles … dir… statt derart betrogen zu werden.«
»Nur zu«, höhnt Achilles. »Es wird Zeit, dass wir einen richtigen Anführer bekommen.«
Agamemnon wird dunkelrot. »Also schön. Lass ein schwarzes Schiff zu Wasser, belade es mit Ruderern und Opfern für die Götter … nimm Chryseis mit, wenn du es wagst … aber du wirst die Opfer bringen müssen, Achilles, o Töter der Männer. Wisse, dass ich mir als Ersatz ein Ehrengeschenk nehmen werde – und dieses Ehrengeschenk wird deine liebreizende Briseis sein.«
Achilles’ hübsches Gesicht ist wutverzerrt. »Von Unverschämtheit Strotzender, voller Gewinnsucht! Hundsäugiger Feigling!«
Agamemnon tritt einen Schritt vor, wirft sein Szepter zu Boden und legt die Hand an sein Schwert.
Achilles tritt ihm entgegen und packt das Heft seines eigenen Schwertes. »Die Trojaner haben uns nie Schaden zugefügt, Agamemnon, wohl aber du! Nicht der lanzenwerfenden Trojaner wegen kamen wir an diese Küste, sondern deinet- und deiner Habgier wegen – wir kämpfen für dich, Schamlosester. Wir sind dir hierher gefolgt, um deine Ehre vor den Trojanern zu retten, deine und die deines Bruders Menelaos, eines Mannes, der nicht einmal seine Gattin im Schlafzimmer halten kann …«
Nun tritt Menelaos vor und ergreift sein Schwert. Die Hauptleute und ihre Männer gruppieren sich jetzt um den einen oder anderen Helden, sodass sich der Kreis bereits in drei Lager aufgelöst hat – diejenigen, die für Agamemnon kämpfen werden, diejenigen, die für Achilles kämpfen werden, und diejenigen um Odysseus und Nestor herum, die so angewidert dreinschauen, als könnten sie alle beide umbringen.
»Ich ziehe mit meinen Männern heim«, schreit
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