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Ilium

Titel: Ilium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Hall, blieb in dem herausfallenden gelben Lichtstrahl stehen und setzte die Deichseln der Karriole so sanft ab, dass Daeman nicht einmal einen Stoß spürte. Der Servitor flitzte nach hinten, um seine Tasche zu holen, während Daeman ausstieg, froh, seine Füße auf dem Boden zu spüren; ihm war noch ein bisschen schwindlig vom heutigen Faxen.
    Ada kam schwungvoll zur Tür heraus und die Treppe herunter, um ihn zu begrüßen. Daeman blieb wie angewurzelt stehen, ein dummes Grinsen im Gesicht. Ada war nicht nur schöner, als er sie in Erinnerung hatte; sie war geradezu unvorstellbar schön.
     

3
Die Ebene von Ilium
    Die griechischen Truppenführer haben sich zusammen mit einem Haufen interessierter Zuschauer vor Agamemnons Zelt versammelt, und der Streit zwischen Agamemnon und Achilles kommt allmählich in Schwung.
    Ich sollte erwähnen, dass ich inzwischen die Gestalt von Bias angenommen habe – nicht die des gleichnamigen pylischen Hauptmanns aus Nestors Truppen, sondern die des Hauptmanns, der Menestheus dient. Der arme Athener ist zurzeit an Typhus erkrankt, und obwohl er überleben wird, um im 13. Gesang zu kämpfen, verlässt er kaum jemals sein Zelt, das ein gutes Stück weiter unten an der Küste steht. Als Hauptmann hat Bias immerhin einen so hohen Rang, dass die Lanzenkämpfer und die neugierigen Zuschauer ihm Platz machen, sodass ich Zugang zum Kreis in der Mitte bekomme. Aber niemand wird erwarten, dass Bias in der bevorstehenden Debatte das Wort ergreift.
    Ich habe den größten Teil des Dramas verpasst, bei dem Kalchas, Sohn des Thestor und »von den Vogelflugdeutern der beste«, den Achäern den wahren Grund von Apollos Zorn enthüllt hat. Ein anderer Hauptmann, der neben mir steht, flüstert mir zu, Kalchas habe vor seiner Rede Immunität gefordert – er habe Achilles’ Schutz verlangt, falls der versammelten Menge und den Königen nicht gefalle, was er zu sagen habe. Achilles sei einverstanden gewesen. Kalchas habe der Gruppe erzählt, was alle schon halb vermutet hätten: dass Chryses, der Priester des Apollo, um die Rückgabe seiner gefangenen Tochter gebeten und Agamemnons Weigerung den Gott erzürnt habe.
    Agamemnon sei wütend über Kalchas’ Deutung gewesen. »Er hat quadratische Ziegenkacke geschissen«, flüstert der Hauptmann mit einem Lachen, das seine Weinfahne zu mir herüberträgt. Wenn ich mich nicht irre, heißt dieser Hauptmann Orus und wird in ein paar Wochen von Hektor getötet, wenn der trojanische Held anfängt, Achäer en gros zu massakrieren.
    Orus erzählt mir, Agamemnon habe sich gerade eben bereit erklärt, die Sklavin Chryseis zurückzugeben – »Ich ziehe sie nämlich sogar meiner Gemahlin Klytämnestra vor, denn sie ist nicht schlechter als jene«, habe der Sohn des Atreus gerufen –, aber dann habe der König Ersatz in Gestalt einer ebenso schönen Gefangenen verlangt. Dem sternhagelvollen Orus zufolge hat Achilles gerufen: »Nicht so hastig, Atreussohn, Besitzbegierigster aller!«, und dann erklärt, dass die Argeier – ein weiterer Name für die Achäer oder Danaer, die verdammten Griechen mit ihren vielen Namen – gegenwärtig nicht in der Lage seien, ihrem Führer weitere Beute auszuhändigen. Aber wenn sich das Schlachtenglück eines Tages wieder zu ihren Gunsten wende, versprach der Männertöter Achilles, werde Agamemnon sein Mädchen bekommen. Fürs Erste solle er jedoch Chryseis ihrem Vater zurückgeben und die Klappe halten.
    »Da hat Fürst Agamemnon, des Atreus’ Sohn, ganze Ziegen zu scheißen begonnen«, lacht Orus. Er spricht so laut, dass sich mehrere Hauptleute umdrehen und uns finstere Blicke zuwerfen.
    Ich nicke und schaue auf die inneren Kreise. Agamemnon steht wie immer im Mittelpunkt des Geschehens. Der Sohn des Atreus sieht von Kopf bis Fuß wie der oberste Feldherr aus – hoch gewachsen, den Bart in klassische Locken gedreht, die Stirn eines Halbgotts und durchdringender Blick, geölte Muskeln, in die feinste Rüstung, das feinste Tuch gekleidet. Ihm steht im offenen Zentrum des Kreises Achilles gegenüber. Stärker, jünger, schöner noch als Agamemnon, spottet Achilles beinahe jeder Beschreibung. Als ich ihn beim Schiffskatalog vor über neun Jahren zum ersten Mal gesehen habe, dachte ich, Achilles müsse der gottähnlichste Mensch sein, der unter diesen vielen gottähnlichen Menschen wandelte, so beeindruckend war die körperliche Erscheinung dieses gebieterischen Mannes. Seither ist mir klar geworden, dass Achilles trotz all seiner

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