Illuminati
Langdon herab.
Bevor er reagieren konnte, tastete eine Hand unter dem Rand des Sarkophags hindurch nach ihm wie ein hungriger Python. Sie fand seinen Hals und drückte zu. Langdon versuchte, gegen die eiserne Faust anzukämpfen, die seinen Kehlkopf zu zerquetschen drohte, doch sein Ärmel war auf der anderen Seite unter dem Rand des Sarkophags eingeklemmt. Er hatte nur eine Hand frei, und eine Hand war zu schwach, um sich dem erstickenden Griff zu entwinden.
Langdon zappelte hilflos in dem kleinen Raum, der ihm zur Verfügung stand, und seine tastenden Füße fanden den unteren Rand des Sarkophags. Er stemmte sich mit letzter Kraft dagegen, während ihm die Sinne zu schwinden drohten. Der Sarkophag bewegte sich nur um Bruchteile eines Millimeters, doch es reichte.
Knirschend rutschte er vollends von den beiden Stützen und landete glatt auf dem Boden. Der Rand krachte auf den Unterarm des Mörders, und Langdon hörte einen unterdrückten Schmerzensschrei. Die Hand löste sich von seinem Hals, zuckte und wand sich in der Dunkelheit. Als der Mörder seinen Arm schließlich ganz unter dem Rand hervorgezogen hatte, fiel der Sarkophag mit einem dumpfen Schlag auf den flachen Marmorboden.
Vollkommene Dunkelheit. Wieder einmal.
Und Stille.
Kein Hämmern gegen den umgekippten Sarkophag. Kein Versuch, ihn umzudrehen und an den eingeschlossenen Langdon zu kommen. Nichts. Langdon lag in der Dunkelheit inmitten modernder Knochen und kämpfte gegen die Dunkelheit an. Seine Gedanken galten Vittoria.
Lebst du noch?
Hätte er gewusst, welches Entsetzen sie erwartete, nachdem sie aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht war, hätte er um ihretwillen gebetet, sie möge tot sein.
94.
Kardinal Mortati saß in der Sixtinischen Kapelle inmitten seiner sprachlosen Brüder vom Kollegium und konnte kaum begreifen, was er hörte.
Vor ihnen, beim Altar und im Schein der Kerzen, hatte der Camerlengo soeben eine Geschichte erzählt – eine Geschichte von so viel Hass und Verrat, dass Mortati am ganzen Leib zitterte. Der Camerlengo hatte von entführten Kardinalen gesprochen, von gebrandmarkten Kardinalen, von ermordeten Kardinalen. Er hatte von dem alten Geheimbund der Illuminati gesprochen – der Name allein beschwor uralte Ängste herauf – und von ihrem Wiederauferstehen und ihrem Racheschwur gegen die Kirche. Mit schmerzerfüllter Stimme hatte er berichtet, dass der tote Papst von den Illuminati ermordet worden war. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern gewesen, als er schließlich die schlimmste Neuigkeit verkündet hatte: Dass eine neue Technologie, Antimaterie genannt, in weniger als zwei Stunden die ganze Vatikanstadt zu zerstören drohe.
Als der Camerlengo endete, schien es Mortati, als hätte Satan selbst die Luft zum Atmen aus der Kapelle gesogen. Niemand war zu einer Regung imstande. Die Worte des Camerlengos hingen in der Dunkelheit.
Das einzige Geräusch, das Mortati nun hörte, war das Summen einer Fernsehkamera im hinteren Bereich – ein unerhörter Vorgang, wie er in der Geschichte der katholischen Kirche während des Konklaves beispiellos war. Doch der Camerlengo hatte darauf bestanden. Er war mit zwei Reportern der BBC in die Kapelle gekommen – einem Mann und einer Frau –, was die fassungslosen Kardinale hatte erkennen lassen, dass sie seine ernste Ansprache live in die ganze Welt ausstrahlen würden.
Nun trat der Camerlengo vor und sprach direkt in die Kamera. »An die Adresse der Illuminati«, begann er, und seine Stimme wurde eindringlich, »und an die Adresse derjenigen, die sich den Wissenschaften verschrieben haben, sage ich…« Er zögerte. »Sie haben den Krieg gewonnen.«
Die Stille, die diesen Worten folgte, war allumfassend. Mortati hörte das verzweifelte Pochen seines eigenen Herzens.
»Das Rad der Geschichte ist seit langer Zeit in Bewegung«, fuhr der Camerlengo fort. »Ihr Sieg war letzten Endes unausweichlich. Nie zuvor war das so offensichtlich wie zu diesem Zeitpunkt. Die Wissenschaften sind der neue Gott.«
Was sagt er da, dachte Mortati. Hat er den Verstand verloren? Die ganze Welt hört zu!
»Medizin, elektronische Kommunikation, Raumfahrt, genetische Manipulation… das sind die Wunder, von denen wir von heute an unseren Kindern erzählen. Es sind die Wunder, die wir als Beweis dafür ansehe n, dass die Wissenschaften uns alle Antworten geben. Die alten Geschichten von der unbefleckten Empfängnis, von brennenden Sträuchern und sich teilenden Ozeanen sind
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