Illuminati
zukünftigen Papstes waren gefährlich, und vor einer Wahl wurde ein einzelner Kardinal dazu bestimmt, heimlich Informationen über die Vergangenheit und das Privatleben eines Kandidaten einzuholen. Dieser Kardinal diente als Advocatus Diaboli; seine Aufgabe bestand darin, Gründe zu finden, warum ein Kandidat nicht zum Papst gewählt werden sollte. Der Advocatus Diaboli wurde bereits zu Lebzeiten des vorhergehenden Papstes bestimmt, als Vorbereitung auf den eigenen Tod. Und niemals durfte der Advocatus Diaboli seine Identität enthüllen. Unter keinen Umständen.
»Ich war der Advocatus Diaboli«, wiederholte Mortati. »Daher weiß ich es.«
Die Kardinale blickten ihn fassungslos an. Anscheinend wurde in dieser Nacht jedes Gesetz und jede Regel gebrochen.
Der Camerlengo spürte, wie sein Herz vor Zorn überzulaufen drohte. »Und Sie… Sie haben mit niemandem darüber gesprochen?«
»Ich habe Seine Heiligkeit damit konfrontiert«, antwortete Mortati. »Er hat gestanden. Er erzählte mir die ganze Geschichte und bat mich anschließend, dass ich mich bei meiner Entscheidung, ob ich sein Geheimnis offenbare oder nicht, von meinem Herzen leiten lassen sollte.«
»Und Ihr Herz hat Ihnen gesagt, dass Sie die Informationen für sich behalten sollen?«
»Er war der Favorit für die Nachfolge des letzten Papstes. Die Menschen liebten ihn. Der Skandal hätte der Kirche größten Schaden zugefügt.«
»Aber er hat ein Kind gezeugt! Er hat seinen heiligen Eid der Keuschheit gebrochen!« Der Camerlengo schrie nun. Er hörte die Stimme seiner Mutter. Ein Versprechen gegenüber Gott ist das wichtigste Versprechen von allen! Brich niemals ein Versprechen, das du Gott gegeben hast! »Der Papst hat seinen heiligen Eid gebrochen!«
Mortati sah aus, als würde er vor Angst fast wahnsinnig werden. »Carlo, seine Liebe… war keusch. Er hat keinen Eid gebrochen. Hat er es Ihnen denn nicht erklärt?«
»Was erklärt?« Der Camerlengo erinnerte sich, wie er aus dem Zimmer gerannt war, während der Papst ihm hinterhergerufen hatte: »Lass mich doch erklären…!«
Langsam und mit trauriger Stimme erzählte Mortati die ganze Geschichte.
»Vor vielen Jahren, als der Papst noch jung und ein einfacher Priester war, hatten er und eine junge Nonne sich ineinander verliebt. Beide hatten ihre Keuschheitsgelübde bereits abgelegt, und beide dachten nicht eine Sekunde daran, ihren Eid gegenüber Gott zu brechen. Trotzdem wuchs ihre Liebe mehr und mehr, und obwohl sie den Gelüsten des Fleisches widerstanden, spürten sie in sich die Sehnsucht nach etwas, das sie niemals erwartet hätten – die Sehnsucht, an Gottes größtem Schöpfungswunder teilzuhaben. Sie sehnten sich nach einem gemeinsamen Kind. Die Sehnsucht wurde überwältigend, besonders in ihr. Doch Gott kam nach wie vor an erster Stelle. Ein Jahr später, als die Verzweiflung beinahe unerträglich geworden war, kam die junge Nonne ganz aufgeregt zu dem jungen Geistlichen. Sie hatte soeben einen Artikel in einer Zeitung gelesen, über ein neues Wunder der Wissenschaft – ein Verfahren, bei dem zwei Menschen ohne sexuellen Kontakt ein gemeinsames Kind zeugen konnten. Sie hielt es für ein Zeichen Gottes. Der Priester sah das Glück in ihren Augen und stimmte zu. Ein Jahr darauf kam sie nieder. Sie hatten ein gemeinsames Kind dank dem Wunder der künstlichen Befruchtung…«
»Das… das kann nicht sein!«, stammelte der Camerlengo. Panik stieg in ihm auf, und er hoffte, dass es das Morphium war, das seine Sinne benebelte.
Mortati hatte nun Tränen in den Augen. »Das ist der Grund dafür, Carlo, dass Seine Heiligkeit stets den Wissenschaften zugetan war. Er dachte, er sei der Wissenschaft etwas schuldig. Die Wissenschaft ließ ihn die Freuden der Vaterschaft erleben, ohne dass er sein Keuschheitsgelübde hatte brechen müssen. Seine Heiligkeit vertraute mir an, dass er nur eines bedauerte: Dass sein geistliches Amt es nicht zuließe, mit der Frau zusammen zu sein, die er liebte, und sein Kind aufwachsen zu sehen.«
Camerlengo Carlo Ventresca spürte, wie ihn erneut Wahnsinn zu übermannen drohte. Er wollte sich das Fleisch aus der Brust reißen. Woher hätte ich das wissen sollen?
»Der Papst beging keine Sünde, Carlo. Er war keusch.«
»Aber…« Der Camerlengo suchte in seinem gequälten Verstand nach einem Halt. »Die Gefahr… seiner Taten.« Seine Stimme klang unsicher. »Was, wenn diese Hure an die Öffentlichkeit gegangen wäre? Oder sein Kind – der Himmel möge es
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