Illuminati
das Richtige tun.«
»Dann lassen Sie Miss Vetra gehen«, sagte eine dunkle, volle Stimme hinter ihr. Die Worte klangen ruhig, doch entschlossen. Robert Langdon trat neben Vittoria, und sie spürte, wie er ihre Hand ergriff. »Miss Vetra und ich werden diese Kapelle verlassen. Auf der Stelle.«
Zögernd, resignierend wichen die Kardinale einer nach dem anderen zur Seite.
»Warten Sie!«, rief Mortati und kam durch den Mittelgang auf die beiden zu. Der Camerlengo blieb oben beim Altar zurück, allein und am Boden zerstört. Mortati sah mit einem Mal noch älter aus als zuvor, erschöpft über die Jahre hinaus. Sein Gang war gebeugt. Er blieb vor den beiden stehen und legte jedem eine Hand auf die Schulter. Vittoria spürte den tiefen Ernst in seiner Berührung. In den Augen des Mannes brannten Tränen.
»Selbstverständlich können Sie beide gehen«, sagte Mortati. »Selbstverständlich.« Er zögerte, und sein Schmerz war fast körperlich spürbar. »Ich bitte Sie nur um eines…« Er starrte für einen langen Augenblick zu Boden, bevor er Langdon und Vittoria wieder ansah. »Lassen Sie es mich tun. Ich werde auf den Platz hinausgehen und einen Weg finden. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde einen Weg finden. Die Beichte der Kirche sollte aus der Kirche selbst kommen. Wir selbst sollten es sein, die unser Versagen vor der Welt gestehen.«
Mortati wandte sich traurig zum Altar. »Carlo, Sie haben die Kirche in eine katastrophale Lage gebracht.« Er stockte und schaute sich suchend um. Der Altar war leer.
Aus einem Seitengang ertönte das Rascheln von Stoff; dann fiel klickend eine Tür ins Schloss.
Der Camerlengo war verschwunden.
134.
Camerlengo Ventrescas weißes Gewand wallte, als er sich durch die Halle von der Sixtinischen Kapelle entfernte. Die Schweizergardisten hatten ihn verblüfft angestarrt, als er allein aus der Kapelle gekommen war und ihnen mitgeteilt hatte, dass er einen Augenblick ungestört sein wolle. Doch sie hatten gehorcht und ihn gehen lassen.
Jetzt, als er um die Ecke bog und außer Sicht war, übermannte den Camerlengo ein Mahlstrom aus Gefühlen, wie er ihn bis zu diesem Augenblick für unmöglich gehalten hätte. Er, der Camerlengo, hatte jenen Mann vergiftet, den er »Heiliger Vater« genannt hatte… den Mann, der »mein Sohn« zu ihm gesagt hatte. Der Camerlengo hatte stets geglaubt, dass die Worte »Vater« und »Sohn« religiöser Tradition entsprungen seien, nun aber kannte er die teuflische Wahrheit – die Bedeutung war wortwörtlich gewesen.
Wie in jener schicksalhaften Nacht vor zwei Wochen, irrte der Camerlengo einmal mehr ziellos durch die Dunkelheit.
Es hatte geregnet an jenem Morgen, als das Personal aufgeregt an die Tür des Camerlengos geklopft und ihn aus unruhigem Schlaf gerissen hatte. Der Papst, teilten sie dem Camerlengo mit, antwortete nicht auf das Klopfen an seiner Tür oder auf das Telefon. Die Geistlichen waren besorgt. Der Camerlengo war der Einzige, der ohne Anmeldung die Gemächer des Papstes betreten durfte.
Der Camerlengo betrat die Zimmer allein und fand den Papst wie am Abend zuvor verkrümmt und tot in seinem Bett. Das Gesicht Seiner Heiligkeit sah aus wie eine Fratze des Teufels. Seine Zunge war pechschwarz. Satan persönlich hatte im Bett des Papstes geschlafen.
Der Camerlengo spürte kein Bedauern. Gott hatte gesprochen. Niemand würde den Verrat bemerken… noch nicht. Das
würde später kommen.
Er ging nach draußen und verkündete die schlimmen Neuigkeiten – Seine Heiligkeit war an einem Schlag gestorben. Dann traf der Camerlengo die Vorbereitungen für das Konklave.
Die Stimme von Mutter Maria flüsterte in seinem Ohr. »Brich niemals ein Versprechen, das du Gott gegeben hast.«
»Ich verspreche es, Mutter«, antwortete er. »Diese Welt ist ohne Glauben. Sie muss zurückgebracht werden auf den Pfad der Gerechten. Grauen und Hoffnung. Es ist die einzige Möglichkeit.«
»Ja«, sagte sie. »Wenn nicht du wer dann? Wer soll die Kirche aus der Dunkelheit führen?«
Ganz bestimmt nicht einer der preferiti. Sie waren alt… lebendige Tote… Liberale, die den Spuren des alten Papstes folgen und die Wissenschaft gutheißen würden. Sie würden nach modernen Anhängern suchen, indem sie die alten Pfade aufgaben. Alte Männer, die verzweifelt hinter der Zeit herliefen, während sie es auf erbärmliche Weise zu verbergen versuchten. Sie würden scheitern, ohne Frage. Die Kraft der Kirche lag in ihrer Tradition, nicht in ihrer
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