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Illuminatus 1 - Das Auge in der Pyramide

Illuminatus 1 - Das Auge in der Pyramide

Titel: Illuminatus 1 - Das Auge in der Pyramide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Shea & Robert Anton Wilson
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Nacht zuvor, derselbe neolithische Strom unbändiger Wut, den Anfang des ersten Massakers signalisierend. Sie kamen... Schlagstöcke in den Händen, Tränengas vor sich her sprühend. «KILL! KILL! KILL!»
    Auschwitz, USA, dachte Joe. Ihm war sauübel. Hätten sie zusammen mit dem Tränengas und MACE auch noch Zyklon B losgelassen, sie hätten's genau so freudig getan.
    Langsam kamen die Concerned Clergymen auf die Füsse; sie hielten sich feuchte Taschentücher vors Gesicht. Unbewaffnet und hilflos, bereiteten sie sich vor, ihren Boden solange wie möglich vor dem unvermeidlichen Rückzug zu halten. Ein moralischer Sieg, dachte Joe voller Bitterkeit. Alles, was wir jemals erreichen, sind moralische Siege. Die unmoralischen Gewalttäter erreichen die wirklichen Siege.
    «Heil Diskordia», vernahm man eine Stimme aus den Reihen der Clergymen -ein bärtiger junger Mann namens Simon, der etwas früher am gleichen Tag den Anarchismus gegen ein paar SDS-Maoisten verteidigt hatte.
    Und das waren die letzten Worte, an die sich Joe Malik deutlich erinnern konnte, denn was dann kam, war Tränengas und Knüppel, Schreie und Blut. Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch nicht ahnen, dass dieser kurze Satz ungefähr das wichtigste war, was ihm im Lincoln Park begegnete.
    (Harry Coin rollte seinen langen Körper zu einem Knoten aus Spannung zusammen, stützte die Ellbogen auf und legte mit seinem Remington-Gewehr sorgfältig an. Die Autokolonne fuhr derweil am Book Depository vorbei und näherte sich langsam seinem Standort an der dreiteiligen Unterführung. Drüben, auf der grasbewachsenen Erhebung, konnte er Bernard Barker erkennen. Wenn er diesen Job gut ausführte, hatte man ihm noch ein paar andere in Aussicht gestellt; das grosse Geld würde endlich anfangen zu fliessen und er brauchte sich dann nicht mehr mit Bagatelldelikten durchzuschlagen. Irgendwie war ihm heute nicht ganz wohl: Kennedy schien ein prima Kerl zu sein - Harry dachte daran, dass er's mit ihm und seiner heissen Puppe gern mal gemeinsam treiben würde - aber Geld regiert die Welt und Sentimentalität war nicht seine Sache. Das war den Narren vorbehalten. Und ein Narr war er nun wirklich nicht, oder? Er löst den Schlagbolzen, ignoriert den plötzlich anschlagenden Hund und zielt - genau in dem Moment, als drei Schüsse von der grasbewachsenen Erhebung herüberschallen.
    «Jesus Motherfucking Christ», war alles was er hervorbrachte; und dann entdeckte er den Gewehrlauf, der aus dem Fenster des Book Depository blinkte. «Grosser Allmächtiger», schrie er jetzt. «Wieviele von uns sind, verdammich nochmal, eigentlich hier?» Er kam aufseine Beine und begann zu rennen.)
    Fast ein Jahr war vergangen, als Joe am 22. Juni 1969 nach Chicago zurückkehrte. Fast ein Jahr war vergangen, nachdem er niedergeknüppelt war, und jetzt sollte er einen weiteren manipulierten Kongress miterleben, eine weitere Desillusio-nierung erfahren, Simon wiedersehen und den mysteriösen Ausruf «Heil Diskordia» noch einmal hören.
    Dieser Kongress sollte der letzte sein, den der SDS jemals abhielt. Joe wurde schon bei der Eröffnung klar, dass die Progressive Labour Fraktion alles schon vorher abgekartet hatte. Hätte sie ihre eigene Polizeimacht gehabt, wäre alles wieder wie vorher abgelaufen, genauso blutig wie bei der alten Demokratischen Partei. Die Dissidenten, bekannt als RYM -I und RYM -II, hätte man einfach «erledigt». Aber eben, die Polizeimacht war nicht vorhanden und so blieb die brodelnde Wut und Gewalt im verbalen Bereich; als dann alles vorüber war, war ein weiteres Stück von Joe gestorben und sein Glaube an das naturgemäss Gute im Menschen noch gründlicher ausgerottet. Und so fand er sich schliesslich auf der ziellosen Suche nach etwas, das nicht total korrupt war, und nahm an der Anarchistischen Parteiversammlung in der alten Wobbly Hallteil.
    Joe wusste nichts über Anarchismus, ausser, dass eine Reihe berühmter Anarchisten - Parsons und Spies vom Haymarket Aufruhr, 1888 in Chicago, Sacco und Vanzetti in Massachusetts, und der Hofdichter der Wobbly Hall, Joe Hill - für Mordtaten exekutiert worden waren, die sie in Wirklichkeit gar nicht begangen hatten. Dann wusste er noch, dass die Anarchisten die Regierung abschaffen wollten - ein Vorschlag, der ihm so absurd erschien, dass Joe sich niemals ernsthaft bemüht hatte, ihre Autoren zu studieren. Jetzt aber, als er mit jeder konventionellen Annäherung an Politik das von Maden durchsetzte Fleisch wachsender

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