Illuminatus 2 - Der goldene Apfel
betrachtete das Namensschildchen auf seiner Uniform, WATER-HOUSE. Die Schlange hinter Waterhouse wurde länger. Joe fand die Papiere, die Malaclypse ihm gegeben hatte. Er reichte sie Waterhouse, der einen kurzen Blick darauf warf und sagte: «Das genügt nicht. Offenbar haben Sie nicht angegeben, daß Sie am Pioneer Court stehen würden. Sie blockieren hier den Fußgängerverkehr. Das ist eine sehr belebte Stelle. Sie werden sich woanders hinstellen müssen.»
Joe blickte über die Straße, auf der Menschenmassen hin und her zogen, auf die Brücke über den grünen, schmierigen Chicago River und über die Gebäude, die den Pioneer Court einrahmten. Das backsteingepflasterte Areal war ein weiter öffentlicher Platz, und es wurde wirklich niemand behindert. Joe lächelte Waterhouse an. Er war immerhin in Chicago und wußte, was zu tun war. Er zog eine Zehn-Dollarnote aus der Tasche, faltete sie zweimal der Länge nach und wickelte sie um einen Becher mit Tomatensaft, den er bis zum Rand gefüllt hatte. Waterhouse trank den Saft ohne ein weiteres Wort in einem Zug aus, und als er den leeren Becher in den Abfalleimer warf, war die Zehn-Dollarnote nicht mehr da.
Eine Gruppe kahlköpfiger, schwatzender Kleinstädter vom Bu sinesstyp standen am Tisch an. Jeder von ihnen trug ein plastiküberzogenes Ansteckschild mit dem roten Kreuz der Kreuzfahrer, den Buchstaben KCUF und den Worten «Dominus Vobiscum! Mein Name ist-.» Joe reichte einem nach dem anderen lächelnd Becher mit Tomatensaft und bemerkte, daß an den Rockaufschlägen einiger dieser Leute noch eine zusätzliche Dekoration steckte, ein viereckiges weißes Plastikkreuz mit den Buchstaben GL überdruckt. Joe wußte, jeder einzelne von ihnen würde ihn nur zu gern ins Gefängnis werfen, weil er der Herausgeber einer radikalen Zeitschrift war, die manchmal sehr offen in Sachen Sex war und schon einige Male, wie Joe fand, sehr schöne Erotika veröffentlicht hatte. Die Knights of Christianity United in Faith standen, so ging das Gerücht, hinter zwei in Flammen aufgegangenen Kinohäusern im Mittelwesten und dem Lynchmord an einem Zeitungshändler aus Alabama. Und natürlich standen sie in engster Verbindung mit Atlanta Hopes God's Lightning. AUM würde für diesen Verein 'ne starke Medizin sein, dachte Joe. Er fragte sich, ob es sie von ihrem Zensurtrip abbringen oder sie erst richtig draufbringen würde. In jedem Fall würden sie der Kontrolle der Illuminaten erst einmal für einige Zeit entgleiten. Wenn es doch nur einen Weg gäbe, sich und Simon in ihren Kongreß einzuschmuggeln und noch mehreren von ihnen AUM zu verabreichen ...
Hinter der KCUF-Gruppe stand ein kleiner Mann, der wie ein alter Hahn mit grauem Kamm aussah. Als Joe später den Fragebogen nachsah, fand er heraus, daß er Caligula Bushman, einem glänzenden Stern an Chicagos Rechtsprechungshimmel, AUM verabreicht hatte.
Eine lange Reihe von Gesichtern folgte, die Joe nicht für besonders bemerkenswert hielt. Sie hatten alle diesen für Chicago, New York und andere Großstädte charakteristischen dummen, gewieften, ärgerlichen, geschlagenen, zynischen, naiven Gesichtsausdruck. Schließlich fand er sich einem hochaufgewachsenen Rotschopf gegenüber, der die besten Eigenschaften Liz Taylors und Marilyn Monroes in sich vereinte. «Wodka drin?» fragte sie ihn. «Nein, Madame, nur purer Tomatensaft », sagte Joe. « Schade », sagte sie, indem sie einen Becher voll hinunterkippte. «Ich könnte gut einen vertragen.»
Caligula Bushman, bekannt als der härteste Mann auf Chicagos Richterbank, führte den Vorsitz einer Verhandlung gegen sechs Leute, die ein Rekrutierungsbüro überfallen, die gesamte Einrichtung zerstört, sämtliche Unterlagen vernichtet und ein Faß Kuhmist auf den Boden geschüttet hatten. Plötzlich unterbrach Bushman die Verhandlung, mitten während der Verlesung der Anklageschrift mit der Ankündigung, er werde eine Untersuchung auf Zurechnungsfähigkeit anberaumen. Zu aller Verwunderung richtete er dann eine Reihe äußerst merkwürdiger Fragen an Staatsanwalt Milo A. Flanagan:
«Wie würden Sie über einen Mann denken, der nicht nur ein Waffenarsenal zu Hause hält, sondern sich mit enormem finanziellen Aufwand noch ein zweites Arsenal anschafft, um das erste zu schützen? Was würden Sie sagen, wenn dieser Mann seine Nachbarschaft derart in Furcht und Schrecken versetzte, daß sie selbst beginnen würden, sich Waffen anzuschaffen, um sich vor diesem Mann zu schützen? Was, wenn
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