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Illusion der Weisheit

Illusion der Weisheit

Titel: Illusion der Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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ausnahmslos in schwarz-weiß. Auftritt.
    I: Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich ein bisschen aufgeregt bin. Sehr, um genau zu sein. Ich habe meinen ersten »Tex« 1970 gelesen. Es war die Nummer 116, ich war neun Jahre alt und ging in die fünfte Grundschulklasse, und danach war mein Leben nicht mehr dasselbe. Aber ich will mich wie ein Profi benehmen. Also, Mr Willer, ich würde sagen, wir beginnen ganz vorn. Als Erstes möchte ich Sie fragen, wann Sie geboren sind.
    W: 1948, genauer gesagt …
    I: Nein, nein, bitte entschuldigen Sie, wenn ich unterbreche. 1948 ist Ihre Figur geboren. Ich möchte wissen, wann Sie geboren sind.
    W: Verzeihung, wie meinen Sie das?
    I: Der Mann Tex Willer.
    W: Was für eine Frage. Ich bin meine Figur. Genau wie Sie übrigens die Ihre sind. Wann sind Sie geboren?
    I: Wann ich geboren bin? 1961, am 30. Mai …
    W: Zu einfach. Das Geburtsdatum ist nur eine Ausrede, um nicht antworten zu müssen. Ich will wissen, wann ihre Figur geboren wurde.
    I: Ich bin keine Figur …
    W: Ach nein? Und was machen Sie hier oben?
    I: … na ja, ich bin hier, um Sie zu interviewen.
    W: Und weshalb wurden Sie engagiert, um mich zu interviewen? Wieso wurde nicht, sagen wir, diese Dame dort genommen, ja genau, die hübsche dort im Publikum?
    I: Ich habe keine Ahnung, was diese Dame macht. Ich schreibe …
    W: Genau, Sie sind Schriftsteller. Das ist Ihre Figur, die natürlich nicht am – wann noch mal? – 30. Mai 1951 geboren wurde …
    I: ’61!
    W: Wie auch immer, das ist völlig egal. Ihre Figur – die hier anwesende und die einzige, die mich interessiert – ist geboren, als Sie Ihr erstes Buch geschrieben haben, und ich bin 1948 geboren, als meine erste Geschichte erschien. Deren Titel Sie gewiss kennen.
    I: Natürlich kenne ich den. Das geheimnisvolle Totem , ein Stripheft. 1958 kam dann das erste Heft im heutigen Format raus, es hieß Die rote Hand .
    W: Schön, wenigstens sind Sie vorbereitet. Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich jetzt gern zu etwas anderem kommen und mich nicht länger mit diesem Geburtsdaten-Blödsinn aufhalten.
    I: Moment, eine Sache möchte ich gleich klarstellen: In einem seriösen Interview entscheidet nicht der Befragte über die zulässigen Fragen. So etwas maßen sich nur Politiker oder besser Möchtegernpolitiker an, um einen Ausdruck von Ihnen zu benutzen.
    W: Möchtegernpolitiker, hm? (Er grinst verschmitzt ins Publikum.) Sie wissen, womit der seinen Lebensunterhalt verdient, oder? (Er wendet sich wieder dem Interviewer zu.) Also, meinen Sie nicht auch, wir sollten besser das Thema wechseln?
    I: Sie haben recht, ist vielleicht besser. Kommen wir gleich zum Kernpunkt und damit zur Kern frage : Wieso haben Sie mich all die Jahre verfolgt?
    W: Was habe ich?
    I: Jetzt tun Sie nicht so, Sie haben mich verfolgt. Überallhin, heimlich, und zu den unmöglichsten Gelegenheiten sind Sie hervorgesprungen, um mir vorzuschreiben, wie ich mich zu verhalten hätte.
    W: (nach einem kurzen Zögern, einem winzigen, geradezu unmerklichen Zusammenzucken; in leicht verändertem Tonfall) Ich? Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, etwas Derartiges getan zu haben. Ganz ehrlich, ich erinnere mich nicht einmal, Sie vor heute Abend jemals gesehen zu haben. Das ist wirklich mal ein spezielles Interview.
    I: Sie streiten es ab! Ich fasse es nicht. Dabei haben Sie mich ständig mit Ihren Ratschlägen drangsaliert, wie ich mich und wie ich mich nicht zu verhalten habe. Bei Freunden, bei Mädchen und vor allem, wenn es Ärger gab. So wie in Mach’s noch einmal, Sam , wenn Sie verstehen, was ich meine.
    W: Wovon reden Sie eigentlich? Und wer ist dieser Sam?
    I: Okay, vergessen Sie Sam. Sie müssen wissen, Sie waren einer meiner großen Helden …
    W: Davon bin ich ausgegangen, sonst säßen Sie nicht hier und würden mir Fragen stellen. Übrigens bisher keine sonderlich intelligenten.
    I: … und meine Identifizierung mit Ihnen war geradezu krankhaft. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Als kleiner Junge hasste ich Bohnen (auf meiner schwarzen Essensliste rangierten sie sogar noch vor Roter Bete und Leber); dann kam ich drauf, dass Sie und Ihre Freunde am Lagerfeuer Bohnen aßen …
    W: Ehrlich gesagt, ich war auch nicht besonders wild auf Bohnen. Aber es gab halt nichts anderes. Carson dagegen konnte nie genug davon kriegen und nachts dann … Na ja, reden wir nicht drüber.
    I: Aber seitdem schmecken sie mir! Und um beim Thema Essen zu bleiben – darüber wollte ich sowieso

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