Illusionen
daß du eines entsetzlichen
Todes sterben mußt.
Es ist alles eine gute Übung, und du
wirst es um so mehr genießen, je klarer
du die Tatsachen im Kopf behältst.
Nimm deinen Tod aber doch ernst. Ein
Lachen auf dem Weg zu deiner Hinrichtung
wird von den weniger fortgeschrittenen
Lebensformen meist nicht verstanden,
und man wird dich für verrückt halten.
»Hast du das gelesen, Don, über den Verlust der eigenen Perspektive?«
»Nein.«
»Dort steht, du würdest eines entsetzlichen Todes sterben.« »Nicht unbedingt. Das hängt von den Umständen ab und wie man es sich arrangiert.«
»Wirst du eines entsetzlichen Todes sterben?«
»Weiß nicht. Meinst du nicht, daß es unwichtig geworden ist, jetzt, wo ich doch ausgestiegen bin? Eine stille kleine Himmelfahrt sollte genügen. Ich werde mich in ein paar Wochen entscheiden, wenn ich das getan habe, weshalb ich gekommen bin.«
Ich dachte, er wollte mich hochnehmen, er tat das ja manchmal, und ich wußte damals noch nicht, daß er es mit den paar Wochen ernst meinte.
Ich vertiefte mich in das Buch. Es war ein Ratgeber für einen Meister, darüber gab es keinen Zweifel.
Lernen
ist herausfinden, was du bereits weißt.
Handeln ist zeigen, daß du es weißt.
Lehren
ist andere wissen lassen, daß sie es
genauso gut wissen
wie du selbst.
Ihr alle seid Lernende,
Handelnde, Lehrer.
Deine einzige Verpflichtung
im Leben ist, dir selbst treu
zu bleiben.
Einem anderen Menschen oder einer
anderen Sache treu zu bleiben,
das ist nicht nur unmöglich,
es ist das Zeichen eines falschen Messias.
Die einfachsten Fragen sind die tiefsinnigsten.
Wo bist du geboren ? Wo Ist deine Heimat?
Wohin gehst du?
Was tust du?
Denke manchmal darüber nach, und
du wirst sehen, wie sich deine
Antworten verändern.
Du lehrst am besten, was du selbst
am dringendsten lernen mußt.
»Du bist ja so still, Richard«, sagte Shimoda, als wollte er sich mit mir unterhalten.
»Hmm«, sagte ich und las weiter. Wenn das ein Buch für Meister war, wollte ich es nicht aus der Hand geben.
Lebe so, daß du dich niemals schämst,
wenn etwas, was du tust oder sagst,
in der ganzen Welt verbreitet wird –
auch dann nicht, wenn es nicht wahr ist.
Deine Freunde werden dich beim ersten
Zusammentreffen besser kennen als
deine Bekannten in tausend Jahren.
Die wirksamste Art, sich seiner
Verantwortung zu entziehen, ist
zu sagen: »Ich habe Verpflichtungen.«
Dann erst fiel mir etwas Merkwürdiges auf. »Die Seiten sind ja nicht nummeriert, Don.«
»Nein«, antwortete er. »Du schlägst es einfach auf, und was du am meisten brauchst, wirst du finden.«
»Ein Zauberbuch!«
»Nein. Mit jedem Buch läßt es sich machen, mit einer alten Zeitung, vorausgesetzt, man liest sie sorgfältig durch. Hast du denn das nicht schon einmal gemacht, ich meine, im Geiste ein Problem gewälzt und dann irgendein Buch, das gerade zur Hand war, aufgeschlagen und nachgesehen, was es dir zu sagen hatte?«
»Nein.«
»Nun, versuch's gelegentlich.«
Ich versuchte es. Ich schloß die Augen und dachte darüber nach, was mit mir passieren würde, wenn ich noch länger mit diesem merkwürdigen Menschen zusammenbliebe. Es machte Spaß, mit ihm zusammenzusein, aber der Gedanke verfolgte mich, daß bald etwas, das durchaus kein Spaß war, mit ihm passieren würde - und dann wollte ich nicht dabeisein. Dies waren meine Gedanken. Ich schlug das Buch auf - meine Augen waren noch immer geschlossen - und las.
Du wirst zeit deines
Lebens von dem inneren, lernenden Wesen gelenkt,
von dem verspielten geistigen Geschöpf,
das dein wahres Selbst ist.
Wende dich nicht ab von möglichen
Ereignissen in der Zukunft,
ehe du sicher bist, daß du
nichts aus ihnen zu lernen hast.
Du kannst es dir jederzeit anders überlegen,
dir eine andere Zukunft aussuchen
oder eine andere Vergangenheit.
Sich eine andere Vergangenheit aussuchen? Buchstäblich oder bildlich, oder wie war das gemeint. . .?
»Ich glaube, ich kann das nicht auf einmal verdauen, Don. Es ist zu schwer.«
»Praxis. Ein bißchen Theorie und sehr viel Praxis«, sagte er. »Dafür genügen etwa anderthalb Wochen.« »Anderthalb Wochen?«
»Richtig. Glaube nur, daß du auf alles eine Antwort hast, und du hast auf alles eine Antwort. Glaube, daß du ein Meister bist, und du bist ein Meister.«
»Ich habe niemals behauptet, daß ich ein Meister sein will.« »Das stimmt«, entgegnete er. »Das hast
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