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Illusionen

Illusionen

Titel: Illusionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Bach
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hier, flieg weg, weit weg von diesem Ort. Ich habe sie schon mehrmals mißachtet, diese innere Stimme, und jedesmal hab ich es bereut.
    Gegen drei Uhr nachmittags ging mir der Treibstoff aus, und ich mußte mir zweimal zwei Zwanzig-Liter-Kanister voll Benzin von der Tankstelle holen, als es mir dämmerte, daß ich die Travel Air kein einziges Mal hatte auftanken sehen. Shimoda hatte schon vor Ferris kein Benzin mehr nachgefüllt. Er flog sieben, acht Stunden ununterbrochen, ohne einen einzigen Tropfen Benzin oder Öl nachzufüllen.
    Obwohl ich mir bewußt war, daß er mir niemals ein Leid zufügen würde, bekam ich es wieder mit der Angst zu tun. Man kann noch so sparsam fliegen, man kann die Drehzahl des Motors verringern und das Gemisch ganz mager halten, aber auf einer Travel Air kann sich niemand länger als fünf Stunden in der Luft halten, ohne aufzutanken, und schon gar nicht acht Stunden bei ständigem Starten und Landen.
    Aber er flog weiter, Rundflug um Rundflug, während ich mein Normalbenzin in meinen Mittelflügeltank füllte und meinem Motor einen Liter Öl gab. Inzwischen standen die Leute Schlange ... Es schien, als wollte er sie nicht enttäuschen.
    Aber ich konnte ihn stellen, als er gerade einem Ehepaar in den vorderen Teil des Cockpits half. Ich gab mir Mühe, daß es ganz beiläufig klang.
    »Don«, sagte ich, »wie steht's um deinen Treibstoff?« Ich stellte mich neben die Flügelspitze, den leeren Kanister in der Hand.
    Er sah mich an und kräuselte verwundert die Stirn, als hätte ich ihn gefragt, ob er Luft zum Atmen brauchte.
    »Ich brauche keinen«, entgegnete er, und ich kam mir vor wie der Klassenletzte auf der Klippschule. »Nein, Richard, ich brauche kein Benzin.«
    Das ärgerte mich, denn ich verstehe etwas von Flugzeugmotoren und Treibstoffen. »Na gut«, witzelte ich, »wie wär's mit etwas Uran?« Er lachte, und ich verzieh ihm sofort. »Nein, danke. Ich habe voriges Jahr vollgetankt.« Und dann saß er schon in seinem Cockpit und war weg mit seinen Passagieren mit diesem übernatürlichen Zeitlupenstart.
    Zuerst wünschte ich, die Leute würden endlich nach Hause gehen, dann aber wünschte ich, daß wir uns, gleichgültig, wie viele noch fliegen wollten, so bald wie möglich aus dem Staube machten, dann wünschte ich, ich hätte genug Verstand, ohne ihn abzuhauen, und zwar sofort. Ich wollte nichts wie weg und ein großes, leeres Feld finden, weitab von jeder menschlichen Siedlung, und darauf landen und alles in mein Tagebuch schreiben und versuchen, mir einen Vers darauf zu machen.
    Aber ich flog nicht weg, ich blieb sitzen, bis Shimoda wieder gelandet war. Dann ging ich hinüber zu ihm und stellte mich in den Propellerwind seines großen Motors.
    »Mir langt's, Don. Ich hau ab, ich will auf einer einsamen Wiese landen, weg von den Menschen, und mich ausruhen. Es war mir ein Vergnügen, mit dir zu fliegen. Hoffentlich sehen wir uns eines Tages wieder.«
    Er zuckte nicht mit der Wimper. »Ich mache noch einen Rundflug, dann komme ich mit. Der Mann dort hat schon lange gewartet.«
    »Einverstanden.«
    Der Mann wartete in einem klapprigen Rollstuhl, den er etwa hundert Meter zu dem Feld gerollt hatte. Er war wie jemand,
    den ein schwerer Hammer breitgehauen und in den Sitz gezwängt hatte, aber er war gekommen, weil er fliegen wollte. Es waren etwa fünfzig andere Leute da, die herumstanden oder ihre Autos verlassen hatten. Sie wollten erleben, wie Don es bewerkstelligen würde, den Mann aus dem Rollstuhl in seine Maschine zu bugsieren.
    Er dachte aber überhaupt nicht daran. »Sie wollen fliegen?« Der Mann im Rollstuhl lächelte schief und nickte seitwärts. »Kommen Sie, versuchen wir's!« sagte Don mit leiser Stimme, als spräche er zu jemandem, der eine lange Zeit als Ersatzspieler gewartet hatte und nun wieder mitmachen sollte. Wenn ich an die Episode zurückdenke, erinnere ich mich an die Intensität, mit der er sprach. Freilich klangen die Worte ganz beiläufig, aber trotzdem lag gleichzeitig ein Befehl in ihnen, als sollte der Mann widerspruchslos aufstehen und einsteigen. Was nun geschah, war wie eine Szene aus einem Film, in dem der Mann nur die Rolle eines Invaliden spielte. Was ihn niedergeschmettert hatte, war überwunden, ja verschwunden, als hätte es nie existiert. Er stieß sich vom Rollstuhl ab und rannte, selber erstaunt, auf die Travel Air zu. Ich stand dicht daneben und konnte hören, was er sagte. »Was haben Sie getan?« fragte er. »Was haben Sie mit mir

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