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Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition)

Titel: Im Alphabet der Häuser: Roman einer Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph W. Bauer
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Gestapo-Spitzel geführt, raunen die Häuser der Stadt unisono. Und ernten nichts als Gelächter von den Gestapo-Gebäuden, die behaupten nämlich, ihr Wissen rühre maßgeblich aus Anzeigen pflichteifriger Volksgenossen und dem Denunziationswillen der Bevölkerung.
    Die Schule in der Innallee wartet mit beidem auf, hier unterrichten wie an vielen Lehranstalten dienstbereite Volksgenossen, hier nistet sich aber auch der Parteiapparat ein, seit 1939 trifft sich im Erdgeschoß die NSDAP -Ortsgruppe, im ersten Stock der SA -Sturm.
    „Aus der Welt der Bücher schöpfen wir immer wieder geistige Bereicherung und Anregung“, so hebt die Ostmark-Bücherschau 1940/41 in einem Prospekt der Wagner’schen an, dann ist zu lesen: „Als Führer zu gutem Schrifttum will die vorliegende Ostmark-Bücherschau dienen. Sie bietet eine sorgfältig getroffene Auswahl wertvoller Neuerscheinungen des deutschen Büchermarktes. Diesen zu erschließen und jedem sein Buch finden zu helfen, ist die Aufgabe des deutschen Buchhändlers“ –
    Welche Bücher waren denn noch erhältlich?
    Alles von Hitler und Konsorten. Oder wie wäre es mit Josef Grablers Mit Bomben und MGs über Polen , der C. Bertelsmann Verlag Gütersloh wirbt im Wagner’schen Prospekt: „Hier erzählen unsere Flieger, wie ihre Sturzkampfflugzeuge das brennende Warschau zur Hölle machten, die windschnellen Messerschmitts den letzten Gegner abschossen.“ Anacker und Bartel stehen in den Regalen, auch von Bruno Brehm ist viel erhältlich, klar, hat er doch 1939 den Nationalen Buchpreis erhalten. In der Lyrikabteilung finden sich Gedichte von Hans Baumann, für Knaben ab zehn Jahren wird Philipp Bouhlers Kampf um Deutschland angepriesen, für die Mädchen Mutter, erzähl von Adolf Hitler!
    Literatur in Hülle und Fülle, auch die Innsbrucker Nachrichten halten am Fortsetzungsroman fest, verbreitet das Haus des Zeitungsverkäufers in der Innstraße 9. „Die Aufgabe der Presse ist die Rüstung der Seele“ ist Anfang 1940 in dieser Zeitung zu lesen. 1941 wird das Papier knapp, es reicht 1942 aber noch aus, um aus Mangel an vorhandenen Siegesberichten auf Zuversichtsparolen zu setzen – 22. Februar 1942: „Absolute Zuversicht für den Endsieg“. 1943 überlegt man sich verfeinerte Strategien, nicht mehr von erfolgreichen Angriffen der Wehrmacht, sondern von erfolglosen des Gegners ist die Rede, das Motto vom Endsieg bleibt weiterhin erhalten. Der Ton verschärft sich zunehmend, täglich ist vom Gegner als „Verräterclique“, „Plutokraten“, „Terrorbande“ und „Judenpack“ zu lesen. Noch die erste Ausgabe des Jahres 1945 titelt mit „Deutschland kapituliert niemals.“ Wenngleich ab nun die Durchhalteparolen unmotiviert wirken, in den kommenden Kriegsmonaten Selbstmitleid und Schuldzuweisungen überwiegen, verbreitet die Zeitung in ihrer vorletzten Ausgabe vom 2. Mai 1945 eine ihrer letzten Lügen: „Unser Führer Adolf Hitler ist heute nachmittags in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzuge gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen.“
    In der Ausgabe vom nächsten Tag vermeldet das Blatt das Vordringen der Gegner an allen Fronten. Gauleiter Hofer kommt noch einmal zu Wort, zeigt sich zutiefst erschüttert, dass der Führer gefallen sei, nun könne es nur noch das Ziel sein, den Gegner an den Grenzen aufzuhalten, „damit unserer Heimat das Letzte erspart bleibt und wir, unangetastet in unserer Ehre, den Frauen und Kindern den Weg in eine bessere Zukunft und in ein glückliches Europa ebnen können.“
    Am 3. Mai 1945 endet die Geschichte des NS -Gauverlags für Tirol und Vorarlberg. Am gleichen Tag verlässt Franz Hofer gegen 13 Uhr das Landhaus. Der Opportunismus der vergangenen Monate hat ihm arg zugesetzt, rufen die Häuser der Stadt, nichts lässt Hofer unversucht, seinen Kopf zu retten, auf Verrat, Mord und Lügen versteht er sich.
    Mit Hofers Rückzug sieht die erst vor kurzem gegründete Tiroler Freiheitsbewegung die Chance gekommen, in Aktion zu treten, nimmt um 14 Uhr kampflos das Landhaus ein und hisst die rot-weiß-rote Fahne.

VII
    67
    Was in den 30er-Jahren angedacht wurde, erhält nach dem Krieg eine Betonpiste in die Zukunft, der Flughafen wird ans westliche Ende der Stadt verlegt, auch sonst knüpft man an, wo man 1938 aufhörte. Rasch geht man zur Tagesordnung über, die offiziellen Hakenkreuznadeln hat keiner verkauft, an wen denn auch. Stunde Null – Fehlanzeige. Nicht zuletzt durch die

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