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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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ansteckende Krankheit, die durch bloßen Auge n kontakt übertragen wurde. Es war kein Gesicht dabei, das ich kannte.
    Mir war, als würde mich etwas zurückhalten. Langsam drehte ich mich um und ließ meinen Blick die Hausfassade bis in den fünften Stock zu dem Balkon von Gregors Kanzlei hinaufwa n dern. Ich betrachtete die schmiedeeiserne Umran dung.
    » Was auch immer dort oben geschehen ist, Gregor ist nicht gesprungen. « Mir wurde schwindelig vom Hochschauen. Ich war aus dem Gleichgewicht geraten und schwankte.
    Felicitas Kluge griff nach meinem Arm und stützte mich.
    Ich sah sie fest an. » Haben Sie mich verstanden? Er ist nicht gesprungen! «
    Vor unserer Wohnungstür blieb ich stehen. Die Erkenntnis, dass Gregor nie wieder durch diese Tür gehen würde, war wie ein Tritt in den Magen. Ich krümmte mich. Für einen Moment war mir, als würde mich dieser Tritt in die Knie zwingen. Gegen den Türrahmen gelehnt, holte ich Luft und drückte auf die Klingel, da ich vergessen hatte, meinen Schlüssel mitzunehmen.
    Mariele Nowak öffnete. Ihr besorgter Blick umfing mich voller Wärme. Sie trat einen Schritt zur Seite, um uns hereinz u lassen. Ich war ihr dankbar, dass sie nichts sagte und auch nicht versuchte, mich in den Arm zu nehmen. Ich hätte keine Berü h rung ertragen. Mein Körper fühlte sich an, als habe sich eine schwere Krankheit in ihm breit gemacht. Jedes Gelenk schien innerhalb der letzten Stunde steif geworden zu sein, jeder Muskel schmerzte, als sei er überdehnt. Ich bewegte mich sehr vorsichtig. Auf dem Weg zum Bad drehte ich mich zu den Kripobeamten um. » Wenn Sie mich bitte kurz entschuldigen … «
    Beide nickten mir zu und wandten sich an meine Nachbarin. Bevor ich die Tür des Badezimmers schloss, hörte ich Kai-Uwe Andres fragen: » Was können Sie uns über Gregor Gaspary sagen? «
    Während ich die schmutzigen Sachen auszog, flogen meine Gedanken zu Jana, die nebenan schlief. Ob Gregor sie in ihrem Traum besuchen und sich von ihr verabschieden würde? Ich sehnte mich danach, sie in meinen Armen zu spüren, aber ich wusste, ich würde zerfließen, wenn ich sie nur ansähe, und ich brauchte meine Kraft. Ich ging hinüber ins Schlafzimmer, zog eine schwarze Hose und einen schwarzen Pulli an und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare.
    » … eine ganz hinreißende Familie «, hörte ich Mariele Nowak sagen. » Es ist ein großes Unglück. «
    Ein Unglück? Ja, Gregors Tod war ein großes Unglück. Der Schmerz war unerträglich. Er fühlte sich an, als würde ein Messer in meinem Inneren wüten, und ich hatte keine Ahnung, ob ich das überleben würde.
    Kaum hatte ich den Raum betreten, drehten sich alle drei zu mir um. Meine Nachbarin kam auf mich zu.
    » Ich bin nebenan, wenn Sie mich brauchen, Frau Gaspary. Scheuen Sie sich nicht anzurufen. « Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel. Ich verfolgte ihren Weg, bis sie auf den Bademantel tropfte.
    » Danke «, sagte ich mit dieser Stimme, die nicht mehr mir zu gehören schien. Sie klang blechern, unnatürlich.
    Mariele Nowak wollte noch etwas sagen, entschied sich dann jedoch dagegen und verabschiedete sich von den Kripobeamten. Verloren blieb ich mitten im Zimmer stehen. Meine Arme hingen kraftlos an mir herab.
    » Frau Gaspary «, begann Kai-Uwe Andres, » dürfen wir uns setzen? «
    » Natürlich … bitte. « Ich wies auf die beiden Sofas.
    Sie nahmen mir gegenüber Platz. Während der Beamte in einem Notizbuch blätterte, hielt ich mich an seinem Gesicht fest Als Jugendlicher musste er unter starker Akne gelitten haben, unzählige Narben waren ihm aus dieser Zeit geblieben. Seine kurz geschnittenen Haare waren von einem matten Braun, das an den Schläfen bereits in Grau überging. Er war ungefähr einen Meter achtzig groß, asketisch schlank und wirkte sehnig wie ein Marathonläufer.
    » Frau Gaspary, lassen Sie mich Ihnen zunächst unser Beileid aussprechen. « Ihm war anzumerken, dass er sich in dieser Situation unwohl fühlte. » Der Tod Ihres Mannes wird ein schwerer Verlust für Sie sein. «
    In meiner Erstarrung hatte ich Mühe, ein Nicken zustande zu bringen.
    » Sie haben eine kleine Tochter, ist das richtig? «
    » Jana … sie ist eineinhalb. «
    » Hatte Ihr Mann eine psychische Erkrankung? «
    » Nein. Warum fragen Sie das? «
    » Weil ein Sturz aus großer Höhe zu den Todesarten zählt, die häufig von schwer depressiven Menschen gewählt wird. « Nachdenklich legte er die Stirn in Falten.
    » Ihr Mann hatte, wie

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