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Im Angesicht der Schuld

Titel: Im Angesicht der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Kornbichler
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neigte, Pläne über den Haufen zu werfen. Von einem Tag auf den anderen war alles anders. Der Tag würde auch ohne Gregor seinen Lauf nehmen –das war vielleicht die grausamste Erfahrung an diesem Morgen. Ich wollte ihn anhalten und ihm den Stillstand aufzwingen, der in Gregors Leben entstanden war.
    » Die Zeit lässt sich nicht anhalten, Frau Gaspary «, sagte sie, als habe sie meine Gedanken gelesen. » Und sie lässt sich nicht zurückdrehen. Aber manchmal bieten die alltäglichen Tätigke i ten, mit der man sie füllt, ein Gerüst, das einen während der schlimmsten Phase stützt. «
    Sie ließ mich im Flur zurück und ging mit Jana in ihr Zimmer. Mich zog es wie magisch zu Gregors Foto. Ich konnte mich nicht satt daran sehen.
    » Kommen Sie mit in die Küche. « Mariele Nowak hielt Jana an der Hand. Sie hatte ihr eine Jeans und einen roten Rollkrage n pulli angezogen.
    Wie ferngesteuert folgte ich den beiden, sah zu, wi e m eine Nachbarin Jana in ihren Stuhl hob und ihr ein Käsebrot in mundfertige Stücke schnitt. Ich setzte mich an meinen ang e stammten Platz ihr gegenüber und starrte auf den Stuhl neben Jana, der von nun an leer bleiben würde.
    Mariele Nowak stellte ein Marmeladenbrot und einen Becher mit Kamillentee vor mich. Dann holte sie einen Block und einen Stift und setzte sich mit an den Tisch.
    » Ich weiß, dass Sie keinen Appetit haben, Frau Gaspary, aber vielleicht können Sie das eine oder andere Stück Brot essen und ein wenig Tee dazu trinken, damit sich Ihr Magen beruhigt. « Sie schob mir den Block zu.
    » Und wenn Sie mögen, dann helfe ich Ihnen zu überlegen, was als Nächstes zu tun ist. «
    Mein ratloser Blick irrte zwischen ihr und dem Block hin und her.
    » Die Mitarbeiter Ihres Mannes müssten informiert und instr u iert werden, Ihre Familie … «
    » Unsere Familie habe ich heute Nacht bereits angerufen. Sie ist nicht so groß. « Ich wärmte meine Hände an dem Teebecher. » Frau Nowak, mein Mann hat sich nicht selbst getötet. «
    » Wenn Sie irgendwann mögen, erzählen Sie mir ein wenig von ihm, ja? Wir kannten uns ja nur vom Hallo -S agen auf der Straße. «
    » Er hat Sie immer die Ballerina genannt, weil Sie so schlank sind und eine so wunderbare Körperhaltung haben. Und wegen des Knotens. « Ich zeigte auf ihre Haare.
    Ihr Lächeln war voller Wärme.
    » Haben Sie jemals getanzt? «
    » Das ist lange her. «
    Jana machte Anstalten, aus ihrem Stuhl zu klettern.
    Meine Nachbarin half ihr dabei und setzte sie auf dem Boden ab.
    » Frau Nowak, was soll ich nur tun? «
    » Fangen Sie im Bad an. Wenn Sie geduscht und umgezogen sind, dann entscheiden Sie, wer die Mitarbeiter Ihres Mannes informieren soll. Vielleicht sind sie aber auch längst von der Polizei in Kenntnis gesetzt worden. Was halten Sie davon, wenn ich derweil mit Jana an die frische Luft gehe? «
    Ich nickte. » Das wird ihr gut tun. « Jetzt ging ich doch in die Knie, nahm meine Tochter in den Arm und küsste sie. Dabei liefen mir schon wieder Tränen über die Wangen. » Danke, Frau Nowak. «
     
    E ine Stunde später hatte ich geduscht und mit Ruth Lorberg und Kerstin Grooth-Schulte, Gregors Mitarbeiterinnen, telef o niert. Meine Nachbarin hatte richtig vermutet: Die Polizei hatte bereits mit ihnen gesprochen. Ich bat sie, Gregors Termine abzusagen und ein Schreiben an seine Mandanten zu entwerfen. Am Nachmittag würde ich in der Kanzlei vorbeikommen, um alles Weitere mit ihnen zu bereden.
    Kaum hatte ich aufgelegt, klingelte die Kripo. Felicitas Kluge und Kai-Uwe Andres erfassten meinen Zustand mit erfahrenen Blicken und versprachen, sich so kurz wie möglich zu fassen. Es sei jedoch sicher auch in meinem Sinn, wenn die Umstände von Gregors Tod so schnell wie möglich geklärt würden. Ich ging mit ihnen ins Wohnzimmer und setzte mich so, dass ich Gregors Foto im Blick hatte.
    » Was haben Sie bisher herausgefunden? «, fragte ich.
    » Dazu kommen wir gleich «, antwortete der Beamte.
    » Zunächst möchten wir Ihnen noch ein paar Fragen stellen. Was machen Sie beruflich, Frau Gaspary? «
    » Mein Mann ist tot, und Sie wollen wissen, was ich beruflich mache? «
    » Bitte beantworten Sie meine Frage. «
    Es kostete mich Mühe, die Fassung zu bewahren. » Ich bin Kunsthistorikerin und beurteile Kunstgegenstände, schreibe Expertisen und berate Versicherungen. Was für eine Rolle spielt das in diesem Zusammenhang? «
    » Ich versuche, mir ein Bild zu machen. «
    » Möchten Sie glauben, mein Mann habe sich

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