Im Angesicht der Schuld
aus Verzwei f lung über meinen Beruf oder meine Berufstätigkeit vom Balkon gestürzt? «
» Etwas glauben mögen ist in meinem Beruf genauso unang e bracht wie in Ihrem. « Er ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. » Wie lange waren Sie verheiratet? «
» Sechs Jahre. «
» Würden Sie sagen, dass es eine gute Ehe war? «
Ich blickte zu Gregor und dann zu Kai-Uwe Andres. Seine Miene drückte Sachlichkeit aus. Hilfe suchend sah ich zu seiner Kollegin.
» Wir müssen diese Fragen stellen, Frau Gaspary «, sagte sie beschwichtigend.
» Ja, wir hatten eine gute Ehe. « Ich boxte mit der Faust aufs Sofa. » Worauf läuft das hier hinaus? Warum suchen Sie so händeringend nach Motiven für einen Suizid, anstatt meinen Mann obduzieren zu lassen und zu untersuchen, woran er wirklich gestorben ist? «
Die beiden sahen sich mit wissenden Blicken an. » Bei einem Sturz aus dem fünften Stock «, sagte sie, » lässt sich mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, woran Ihr Mann gestorben ist. «
» Und was ist, wenn er einen so genannten Sekundenherztod hatte? Mein Schwiegervater ist daran gestorben. «
» Bei einem Sekundenherztod hätte Ihr Mann nicht mehr die Zeit gehabt zu schreien. «
» Wieso sind Sie so sicher, dass er es war, der geschrien hat? «
» Weil die Zeugenaussagen von zwei Passanten, die zu diesem Zeitpunkt ihre Hunde ausgeführt haben, darin übereinstimmen «, antwortete Kriminalhauptkommissar Andres. » Beide haben den Schrei gehört und direkt darauf den Körper Ihres Mannes fallen sehen. «
» Aber dann müssten die Männer auch gesehen haben, wie es passiert ist. «
Die Beamtin schüttelte den Kopf. » Beide wurden erst durch den Schrei aufmerksam. «
» Aber warum sollte er, wenn er tatsächlich hat sterben wollen, schreien? «
» Aus einem Reflex heraus … möglicherweise. «
Ich presste die Unterarme gegen meinen schmerzenden M a gen. » Dann war es vielleicht ein Schlaganfall … verdammt noch mal, warum lassen Sie ihn nicht untersuchen? Wozu ist er denn in diesem gerichtsmedizinischen Institut? Das muss doch irgendeinen Sinn haben. «
» Frau Gaspary, kann es sein, dass Sie wegen der Versicherung auf einem Unfall beharren? « Kai-Uwe Andres ’ forschender Blick versuchte, hinter meine Stirn zu schauen. » Aus den Unterlagen Ihres Mannes geht hervor, dass er vor eineinhalb Jahren eine Lebensversicherung mit einer relativ hohen Tode s fallsumme abgeschlossen hat. Bei Vorliegen eines Suizids wird die Versicherungsgesellschaft allerdings nicht zahlen. «
Seine Frage war wie ein Schlag in die Magengrube. Meine Wut war so maßlos, dass es mir eine geschlagene Minute die Sprache verschlug und ich ihn anstarrte. Als ich meine Worte wieder fand, überschlugen sie sich. Ich schrie ihn an: » Mein Mann hat sich nicht umgebracht! Geht das nicht in Ihren Kopf? Er hatte eine eineinhalbjährige Tochter, die er über alles geliebt und für die er diese Versicherung aus reinem Sicherheitsdenken und Verantwortungsgefühl abgeschlossen hat. Wir hatten eine wunderbare Beziehung, und Gregor hatte einen Job, der ihn erfüllt hat. Sagen Sie mir einen Grund, warum ein Mann in seiner Situation seinem Leben ein Ende setzen sollte. «
» Vielleicht hatte er Schuldgefühle, mit denen er nicht fertig wurde. « Er ließ mich nicht den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen. Allem Anschein nach wollte er sich keine meiner Reaktionen entgehen lassen.
Dabei bestand meine Reaktion nur aus Verwirrung.
» Schuldgefühle? Aus welchem Grund sollte Gregor Schuldg e fühle gehabt haben? «
» Manche Menschen haben Probleme, mit einem solchen Unfall fertig zu werden, selbst wenn er unverschuldet war. «
» Wovon reden Sie, Herr Andres? «
» Von dem Unfall, in den Ihr Mann vor etwas mehr als einem Jahr verwickelt war. «
» Ich weiß von keinem Unfall. « Felicitas Kluge machte keinen Hehl aus ihrer Verwunderung.
» Er hat Ihnen nicht davon erzählt? «
» Nein «, antwortete ich. Eine lähmende Schwäche machte sich in meinen Gliedern breit. » Erzählen Sie mir davon. «
Mit einem Seitenblick holte sie sich das Okay ihres Chefs. » Im Juli vergangenen Jahres fuhr Ihr Mann über die Krugkoppe l brücke. Kurz hinter dem Fußgängerüberweg gibt es eine Stelle, an der der Bürgersteig sehr hoch ist. Sekunden bevor Ihr Mann diese Stelle mit seinem Wagen passierte, schob dort eine Frau einen Kinderwagen entlang. Sie musste einem Fahrradfahrer ausweichen, der mit hoher Geschwindigkeit auf dem Bü r gersteig fuhr. Bei
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