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Im Anhang mein Herz

Im Anhang mein Herz

Titel: Im Anhang mein Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Schön
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soll ich denn am Abend ohne dich machen?

    Freitag, 31. Dezember, 0.10, zu Hause
    Liebe Marlene.
    Ich konnte nicht einschlafen. Zum Anlass deiner morgigen Reise fiel mir der letzte Sommer wieder ein. Wie es schon vor ein paar Tagen der Fall war.
    Die ersten zwei Wochen von damals habe ich nicht so schlecht in Erinneru ng. Aber dann. Als ich hinfuhr.
    Es waren ganz traurige Tage. Ich bin st undenlang ohne Ziel durch die Urlaubsorte geirrt. Ich habe ständig über den See gesehen.
    Ich habe dir nach dem Urlaub meinen Bericht geschickt und er war nicht lang. Das ist aber kein Wunder, denn er war auf ein Zehntel gekürzt und außerdem bereinigt. Ich hatte traurige Passagen gelöscht.
    Und da zu noch die handgeschriebenen Briefe.
    Und täglich hatte ich besonders schöne Ansichtskarten für dich ausgesucht und vollgeschrieben.
    So liebevoll ausgesucht , so liebevoll geschildert: Sonnenuntergänge, Pflanzen, schöne Plätze, die du kennen müsstest.
    Ich muss doppelt verrückt gewesen sein: Einmal, als ich dir das alles geschrieben habe, ohne es abszusenden. Zum zweiten Mal, als keine Post mehr von dir kam, als ich alles wieder vernichtet habe.
    Am letzten Urlaubst ag, als ich die Fotos knipste, du kennst sie, fühlte ich mich besser, weil ich fest davon überzeugt war, zu Hause Post vorzufinden.
    W ie ich mich darauf freute! Doch dann war keine einzige Zeile da. Es war mir unbegreiflich.
    Als wir uns wieder trafen, sagtest du, dass dir der Familienfrieden wichtiger als deine Neugier gewesen sei. Damals wurdest du für mich zum kaltherzigsten Menschen der Welt. Als deine Neugier . Nicht: als mein Wohlbefinden . Mein Wohlbefinden hattest du überhaupt nicht in Betracht gezogen.
    Das ist keine fünf Monate her.

    Jetzt, in diesem hellen Moment, weiß ich genau, dass es vergeblich ist, darauf zu hoffen, einmal wichtiger für dich zu werden.
    Aber nach ein paar schönen Worten von dir werde ich sicher wieder daran glauben.
    Ich bin unbelehrbar. Ich bin wirklich verrückt!
    Einzig und allein Illusionen helfen mir. Und gelegentlich das Wenige, was halt für mich abfällt. Der Abfall.
    Du hast es mit dem Abfall hin und wieder geschafft, mich glauben zu lassen, dass du mich liebst . Ich habe es geglaubt, weil ich es glauben wollte.
    Selten kann ich die Wahrhe it so deutlich sehen wie jetzt.

    Und was ich für Beweise für meinen Irrglauben suchte und fand: Tausende von Mails!
    Die Anzahl war es, nicht der Inhalt, die es mir bewies: Denn wer schreibt denn schon einem Menschen, den er nicht liebt, Tausende Mails? Ich jedenfalls nicht. Ich würde das für eine grobe Zeitverschwendung halten.
    Oder, Marlene? V ielleicht bist du bloß mailsüchtig? Oder gelangweilt?
    Ich kenne den Grund nicht.
    Oder ist es nur deine Höflichkeit, so wie du auf diese Mail antworten wirst, weil ich sie abgeschickt habe, weil du sie erhalten hast, weil du sie gelesen hast, weil alles seinen geordneten Gang gehen muss?
    Jemandem, den ich halt gerade so kenne, schreibe ich vielleicht einmal pro Woche zehn Zeilen. Er würde mich auch nerven mit mehr. Nur, weil ich dich liebe, schreibe ich dir so viel.
    Wenn du doch nur ihn , deinen Mann, liebst, warum richtest du dann nicht deine ganze Schreiblust auf ihn? Schreibe ein Buch und widme es ihm! Schreibe über ihn und die Kinder.
    Aber das ist nicht mein Problem.
    Nun ist es doch wieder spät geworden und das heurige Jahr hat keine vierundzwanzig Stunden mehr.
    Ich gebe mich wieder der Wunschvorstellung hin, dass nicht nur mich mit dir, sondern auch dich mit mir mehr verbindet, als du es immer darstellst. Denn sonst würde ich diese Mail löschen, genau wie die Seiten vom Sommer.
    So wird mein ers ter Gedanke im neuen Jahr sein:
    Sie liebt mich ein klein wenig und sie weiß es nicht.
    Und weil ich jetzt schon im nächsten Jahr bin:
    Ich wünsche dir, die du mir ein Rätsel bist , ein glückliches neues Jahr.
    Artur

    1 0.10
    Ich weiß nicht warum, aber heute denke ich wieder nur an dich. Vielleicht des aufgeschobenen Besuchs, oder weil ich dich schon lange nicht gesehen habe . Ich weiß es wie gesagt nicht.
    Oder auch, weil es natürlich ist, an einen Menschen, den man liebt, ständig zu denken. Es findet sich zu jedem x-beliebigen Ereignis ein Verknüpfungsgedanke.
    D as liest du nicht gern, dass ich viel an dich denke. Du fühlst dich dann für mich zuständig , willst das aber nicht, da du für mich nicht zuständig bist .
    Und ich weiß, welche Fragen ich dir stellen darf und welche nicht. Die Fragen kommen

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