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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Thomas übertrieb. Sie verstand nicht viel davon, wie die katholische Kirche funktionierte, denn sie war protestantisch aufgewachsen und aus der Kirche ausgetreten, sobald sie volljährig war. Aber eins hatte sie mitbekommen: Wenn ein hohes Tier in Rom hüstelte, bekamen gleich alle eine Gänsehaut.
    «Gut, Thomas, ich sag es ihm.»
    «Und sonst ist bei euch alles in Ordnung?»
    Angela lächelte über seine anhaltende Besorgnis.
    «Ja, alles bestens. Hannah ist viel mit Freunden unterwegs, und ich habe dann sturmfreie Bude.»
    Thomas ging mit keiner Silbe auf ihre flapsige Bemerkung ein, sondern flüsterte:
    «Passt auf euch auf. Ich habe kein gutes Gefühl.»
     
    ***
     
    Obwohl sie das Mausoleum bereits gestern kennengelernt hatten, trat erneut eine feierliche Stille ein, als sie das verdunkelte Auto verließen. Mit Ausnahme von Deary und van Damme, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts zu tun hatten und sich die Zeit in der Bibliothek oder am Computer vertreiben wollten, und Henderson, den sie heute noch nicht gesehen hatten, war das ganze Team versammelt. Aus den Lautsprechern erklang die gleiche Musik. Engel nahm sich vor, Henderson bei nächster Gelegenheit zu fragen, um was für ein Werk es sich handelte.
    Sie standen in der Mitte der Halle. Engel wandte sich an Stone:
    «In den meisten Fällen findet sich in Ossuarien noch DNS. Das gilt vor allem, wenn sie aus einem ungestörten Grab stammen. Was denken Sie, Theresia, sollten wir nicht zunächst versuchen, so viel Material wie möglich in den Ossuarien zu sichern?»
    Stone nickte.
    «Sie haben recht, Wolfram. Fangen wir erst einmal mit dem Staubsaugen an. So gerne ich mir unseren vollständigen Freund dahinten sofort vornehmen würde.»
    Sie winkte Hawley zu, und gemeinsam gingen sie zu den Ossuarien mit den Beschriftungen «Josef» und «Maria, Josefs Frau». Auf kleinen Tischchen vor den Gebeinkästen hatten über Nacht fleißige Geister alle Utensilien platziert, die man zum Sichern kleinster DNS-Spuren brauchte. Feinste Pinselchen, Saugpipetten, Klebestreifen, Behälter zum luftdichten Aufbewahren gesicherter Spuren und so weiter. Die beiden Forensiker nahmen Schutzkleidung aus ihrer Verpackung und zogen die unförmigen Plastikoveralls geschickt und schnell an. Dabei brummte Hawley vernehmlich:
    «Das Einzige, was ich bei meiner Arbeit hasse, sind diese Ganzkörperkondome.»
    Engel lachte in sich hinein. Der Gerichtsmediziner und Theresia Stone waren ohne Zweifel das sprichwörtliche Salz in diesem Team. Über die abwesenden Rekonstruktionsspezialisten hatte er sich noch kein Urteil gebildet, sie waren gestern sehr schweigsam gewesen. Vermutlich fühlten sie sich in dieser Gruppe angesehener Wissenschaftler noch unwohl. Er nahm sich vor, sie möglichst schnell zu integrieren. Im Gegensatz zu den beiden amerikanischen Doktoren wirkten die Franzosen Latour und Matin geradezu hölzern. Wäre er Filmregisseur und hätte die Rolle eines Gelehrten zu besetzen, der am liebsten in seinem Elfenbeinturm blieb, Latour wäre Engels Idealbesetzung.
    Engel wandte sich ihm zu:
    «Ich schlage vor, Sie beginnen mit dem Jesus-Ossuarium und arbeiten sich nach oben vor. Dann kommen Sie sich nicht mit den anderen in die Quere. Außerdem erwartet Henderson ohnehin Ihre Expertise zu dieser Inschrift als Erste.»
    Latour nickte, und sie gingen gemeinsam in Richtung des angesprochenen Kastens. Matin folgte ihnen mit zwei Meter Abstand. Hier ist die Hierarchie eindeutig, dachte Engel. Bei den Amerikanern würde ein Außenstehender nicht so leicht feststellen können, wer der Boss war.
    Engel sprach erneut Latour an:
    «Etwas wollte ich Sie schon gestern fragen, André. Als Henderson spekulierte, eines der nicht beschrifteten Ossuarien könnte die Gebeine Jakobus des Gerechten, also eines der Brüder Jesu, enthalten haben, widersprachen Sie vehement. Ich dachte, die Inschrift des sogenannten Jakobus-Ossuars sei bewiesenermaßen eine Fälschung.»
    Latour blieb abrupt stehen.
    «Nein, ist sie nicht!»
    Engel war erstaunt über diese harsche Antwort. Offenkundig konnte man das an seinem Gesicht ablesen, denn Latour fuhr deutlich ruhiger fort:
    «Kennen Sie sich aus mit der Geschichte dieses Fundes?»
    Engel zuckte mit den Schultern.
    «Ich weiß, dass vor über zehn Jahren in Israel von einem Sammler ein Ossuarium der Öffentlichkeit vorgestellt wurde mit der Aufschrift ‹Jakob, Sohn des Josef, Bruder des Jesus › . Die Herkunft der Truhe war dubios. Trotzdem berichteten die

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