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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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einschließlich Henderson und den beiden Rekonstrukteuren. Als Engel die Bibliothek betrat, installierte Sanika Nuri, wie immer in einen Sari gekleidet, eine Videokamera.
    «Ich hoffe, es hat niemand etwas dagegen. So kann ich die Ergebnisse dieser ‹Bibliotheksrunde› protokollieren und Ihnen am nächsten Morgen schriftlich zur Verfügung stellen.»
    Engel blickte in die Runde und sah Zustimmung, also nickte er Hendersons Assistentin zu.
    Nachdem sich alle gesetzt und Audrey, die bildhübsche Kellnerin, die heute Abend Dienst hatte, sie mit Getränken versorgt hatte, wandte sich Engel an Stone:
    «Ich denke, Theresia, Sie sollten beginnen. Schließlich haben Sie Sarah und mich zu Ihren Assistenten ernannt.»
    Tatsächlich hatte es keine halbe Stunde gedauert, und die Anthropologin hatte ihnen mit dem lapidaren Satz ‹sonst werden wir hier nie fertig› einen Schutzanzug in die Hand gedrückt. Nach einer kurzen Einweisung hatten Sarah und Engel Spuren in den Ossuarien geborgen.
    «Und Sie haben sich gar nicht so dumm angestellt», lachte Stone. «Auf jeden Fall haben wir es geschafft, das Material in den Ossuarien vollständig zu sichern. Es ist bereits im Labor. In ein paar Tagen werden wir wissen, ob genug typisierungsfähige DNS vorhanden ist, um ein paar Fakten über die Jungs und Mädchen in diesem Grab zusammenzutragen.»
    Eric van Damme stellte sein Bierglas auf den Tisch.
    «Ich habe von diesem ganzen Genetikkram keine Ahnung, deshalb verzeihen Sie mir die Frage: Wie lang wird es dauern, bis wir die Ergebnisse haben?»
    Stone lächelte den Holländer an.
    «Kommt drauf an, was Sie unter Ergebnissen verstehen. Vielleicht ist es für Sie alle interessant, wenn ich das weitere Vorgehen näher erläutere. Schließlich wird die DNS-Analyse eine zentrale Rolle in unserem Projekt spielen.»
    Stone schaute in die Runde. Alle nickten, und Engel sagte:
    «Gute Idee, Theresia. Auch für mich ist das ein Buch mit sieben Siegeln.»
    «Dann wollen wir wenigstens ein paar Siegel knacken. Das Prinzip einer DNS-Analyse ist einfach. In jeder Zelle des menschlichen Körpers finden sich unverwechselbare Erbinformationen ‒ die Chromosomen. Ein Chromosom besteht aus einer langen Kette von Molekülen, der Desoxyribonukleinsäure, abgekürzt DNS. Die Kettenglieder zwischen den einzelnen Molekülen werden von vier Basen gebildet. Ein DNS-Strang besteht aus etwa zweihundertfünfzig Millionen Kettengliedern. Das, was wir als genetischen Code bezeichnen, ist die für jeden Menschen individuelle und ihn charakterisierende Reihenfolge der DNS-Moleküle.»
    Stone griff zu ihrem Weißweinglas und überprüfte mit einem Blick in die Runde, ob alle ihr folgen konnten.
    «Um die Sache etwas komplizierter zu machen, gibt es neben der DNS in den Chromosomen des Zellkerns auch noch in anderen Zellbausteinen, den sogenannten Mitochondrien, genetisches Material. Was die Mitochondrien sind, braucht Sie nicht zu interessieren, wichtig ist nur, dass die sogenannte Mitochondrien-DNS wesentlich einfacher gestrickt ist. Sie besteht nur aus 16.569 Basenpaaren, ist also viel kürzer als die Zellkern-DNS. Allerdings werden Mitochondrien nur über die Eizelle an das Kind weitergegeben, man kann also nur die mütterliche Erbschaftslinie nachweisen.»
    «Dann werden Sie sich ja wohl auf diese lange DNS konzentrieren und die kurzen Dinger ignorieren», brummte Deary, der schon in der Schule Biologieunterricht für eine Strafe Gottes gehalten hatte.
    «Es wäre schön, wenn wir das könnten. In Wirklichkeit müssen wir froh sein, wenn wir wenigstens Mitrochondien-DNS finden. Schließlich sind die Damen und Herren, mit denen wir es hier zu tun haben, bereits seit einiger Zeit nicht mehr unter den Lebenden und bis auf einen nicht in schlechter körperlicher Verfassung.»
    Engel hatte gespannt zugehört und wandte jetzt ein:
    «Korrekt müsste es ja wohl heißen, bis auf einen oder eine. Bis jetzt wissen wir nicht, ob es sich um ein männliches Skelett handelt.»
    «Wolfram», stöhnte Henderson, der sich in eine Ecke abseits der Gruppe gesetzt hatte.
    Hawley hob die Hand mit seinem Whiskyglas zum Zeichen, dass er etwas sagen wollte.
    «Ich habe mir die Beckenknochen heute zwar nur fünf Minuten angesehen. Aber wenn das eine Frau ist, trinke ich ab morgen nur noch Wasser.» Anschließend drehte er sich mit einer entschuldigenden Geste zu Stone um, die sie als Aufforderung verstand, weiterzusprechen.
    «Zurück zum Thema. Wir haben es mit alter DNS zu tun, und

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