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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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und stürzte das Getränk herunter. Dann beugte er sich zu di Lucca.
    «Gut, John, kommen wir zur Sache. Was gibt es Neues aus England?»
    Di Lucca legte die Stirn in Falten.
    «Nichts Gutes. Die Ossuarien sind immer noch vom Erdboden verschwunden. Vermutlich befinden sie sich in London. Unser dortiges Büro hat herausgefunden, dass Henderson eine kleine Gruppe von Spezialisten engagiert hat. Gerichtsmediziner, Anthropologen, Inschriftenkundler.»
    Di Lucca hatte beschlossen, dem Bischof zunächst nichts von den Rekonstruktionsspezialisten zu erzählen. Es könnte eine panische Reaktion hervorrufen, und die wollte er im Moment vermeiden. «Alles deutet darauf hin, dass sie an dem Fund arbeiten.»
    Legado fuhr sich mit der Hand über den Kopf.
    «Wenn wir das Team kennen, müssen wir doch auch wissen, wo sie sich aufhalten. Dann können die Ossuarien nicht weit entfernt sein.»
    «Möglich, aber nicht unbedingt sicher. Henderson hat die Gruppe in zwei Stockwerken eines gerade errichteten und ansonsten leer stehenden Bürogebäudes einquartiert.»
    «Dann müssen die Ossuarien dort sein», sagte der Bischof ein bisschen ärgerlich. «Henderson wird doch keine Zeit vertun, sondern die Leute sofort an die Arbeit schicken.»
    Di Lucca presste die Lippen zusammen und wiegte den Kopf.
    «Ehrlich gesagt haben wir keine Ahnung. Das Gebäude wird von einer Sicherheitsmannschaft rund um die Uhr bewacht, da bekommen wir niemanden hinein.»
    Legado rieb sich nachdenklich das Kinn.
    «Haben Sie mir nicht erzählt, dass Ihre Abteilung über die modernsten Abhörgeräte verfügt? Da müssen wir doch wissen, wer sich wann in dem Gebäude befindet bzw. wann er es verlässt.»
    Di Lucca atmete tief ein.
    «Leider versagen hier unsere Möglichkeiten. Das Gebäude ist nicht nur gegen unbefugten Zutritt geschützt, man kann auch nicht hineinsehen bzw. hineinhorchen. Alles hermetisch abgeriegelt.»
    «Wir observieren das Haus aber, oder?»
    Di Lucca nickte.
    «Also wissen wir, ob und wann jemand das Haus verlässt?»
    Legado hatte den Satz als Frage formuliert, di Lucca machte aber keine Anstalten, sie zu beantworten, sondern schaute nachdenklich auf die Tischplatte.
    «Was ist los, John?»
    «Soweit wir das wissen, ist niemand hineingegangen oder herausgekommen. Alles ist gespenstisch still.»
    «Wie ich vermutet habe: Die Ossuarien sind in dem Haus, und die Gruppe arbeitet fleißig daran, während wir draußen vor der Tür stehen und Däumchen drehen. Was ist denn mit unserer Quelle vor Ort?»
    «Versiegt - zumindest für den Moment. Auch zu ihr bekommen wir keinen Kontakt. Möglicherweise hat der Brite seine Leute kaserniert und lässt sie das Gebäude nicht verlassen. In diesem Fall dürfte es schwierig sein, sie erneut anzuzapfen.»
    «Verdammt!» Legado schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, sodass die Espressotasse laut klapperte. Di Lucca hatte den Bischof noch nie so wütend erlebt. Doch er hatte ja recht. Ihn machte es auch verrückt, untätig herumzusitzen und zu warten. Es musste endlich etwas geschehen. Er rückte mit seinem Stuhl an Legado heran. Jetzt war es an der Zeit, dem Bischof zu verdeutlichen, dass die Angelegenheit kein Spiel war.
    «Ich habe Engels Bruder, den Pfarrer, ein bisschen unter Druck gesetzt. Er ist zu einer Kooperation bereit. Das Problem ist, dass er genauso wenig wie wir weiß, wo sich sein Bruder aufhält. Erreichen kann er ihn auch nicht, um ihm den Ernst der Lage klarzumachen. Deshalb habe ich den nächsten Schritt in die Wege geleitet.»
    Er rückte noch näher an den Bischof heran und flüsterte ihm die Grundzüge seines Plans ins Ohr. Legado starrte di Lucca mit aufgerissenen Augen an. Er presste die Lippen zusammen und hielt die Luft an. Es dauerte einige Sekunden, ehe er sie mit einem leisen Pfeifen aus seinen Lungen entweichen ließ. Seine Stimme krächzte ganz leise:
    «Muss das wirklich sein, John?»
    Di Lucca nickte drei Mal.
    «Es muss sein. Er hat nicht nur die Wissenschaftler bei sich, sondern auch einen Skulpteur von Madame Taussauds. Kennen Sie Madame Taussauds’ Wachsfigurenkabinett?»
    Legado nickte wie in Trance.
    «Dann wissen Sie, was das bedeutet.»
    Legado ließ sich nach hinten in den Stuhl fallen. Kaum vernehmbar flüsterte er:
    «Er will aus unserem Heiland, dem Herrn Jesus Christus, eine Jahrmarktsattraktion machen.»
     
    ***
     
    Die Uhr schlug halb zehn, als sich das Team zur abendlichen Lagebesprechung in der Bibliothek versammelte. Sie waren komplett,

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