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Im Antlitz des Herrn

Im Antlitz des Herrn

Titel: Im Antlitz des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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genau, aber unsere Grabungstechniker haben etwas sehr Interessantes entdeckt.»
    Engel blickte sich um.
    «Welche Grabungstechniker.»
    «Mensch, Engel, glauben Sie wirklich, ich spiele hier einen modernen Schliemann und mache erst mal alles kaputt, nur um einen Sensationsfund zu haben? Wenn Sie gestern hier gewesen wären, hätten Sie sich in der Höhle kaum bewegen können, so viele Menschen arbeiteten hier.»
    Henderson schraubte die an seinem Gürtel hängende Wasserflasche auf, trank einen kräftigen Schluck und hielt sie anschießend Engel hin, der dankbar annahm, denn die Luft in der Grabhöhle war trocken und staubig.
    «Wie Sie schon sagten, haben wir sechs Loculi. Fünf von ihnen sind exakt gleich lang, in vier stehen zwei und in einem steht ein Ossuar.»
    Engel setzte die Wasserflasche ab und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund.
    «Macht neun. Was ist mit dem sechsten Loculus?»
    «Der ist seltsam. Erst dachten wir, er sei kürzer als die anderen und enthielte nur einen Gebeinkasten. Insgesamt wären es dann also zehn gewesen, was an sich schon eine Sensation ist. Ein derart unversehrtes Grab ist bisher kaum entdeckt worden. Aber das war noch nicht alles. Beim genaueren Hinsehen stellten wir fest, dass der Gang im hinteren Teil dieses Loculus mit einer gemauerten Wand verschlossen war.»
    «Das ist völlig unüblich».
    Engel reichte Henderson die Wasserflasche zurück.
    «Genau. Deshalb haben wir sofort ein Loch in die Wand gebohrt und eine Miniaturkamera in den dahinter liegenden Raum geschoben.»
    Henderson sah Engel herausfordernd an.
    «Und, was ist hinter der Mauer?»
    «Noch eine Knochentruhe. Anscheinend wollte man sie verstecken, anders ist die Mauer kaum zu erklären.»
    Engel kam nicht dazu, nach einer alternativen Interpretation des Fundes zu suchen, denn der Techniker, der auf dem Bauch in dem engen Loch gearbeitet hatte, war herausgekrochen.
    «Wir sind jetzt so weit.»
    «Na dann mal los.»
    Henderson schob Engel in Richtung Ausgang.
    «Wir müssen Platz machen für die Fotografen und Kameraleute. Schließlich wollen wir doch auch diesen Teil der Bergung exakt dokumentieren.»
    Er legte seine Hand auf Engels Schulter.
    «Andernfalls höre ich schon ihr Lamentieren, dass ein so wenig dokumentierter Fund wissenschaftlich unbrauchbar ist.»
     
    Während die Grabungstechniker ein Ossuarium nach dem anderen aus den engen Kammern herausholten, setzten sich Engel und Henderson auf Klappstühle vor den Eingang der Grabhöhle. Sie beobachteten, wie die Gebeinkästen vorsichtig durch den Eingang gehoben wurden und auf dem von der Zeltplane geschützten Vorplatz in genau der Formation aufgestellt wurden, wie sie sich im Grab befunden hatten.
    Engel unterbrach das minutenlange Schweigen.
    «Wie sind Sie überhaupt auf dieses Haus gekommen?»
    «Gerüchte, mein Lieber.»
    Henderson nahm ein Blatt vom Boden auf und drehte es zwischen den Fingern.
    «Ihr seriösen Wissenschaftler braucht ja erst eine Urkunde, in der geschrieben steht, dass sich da oder dort ein Grab befindet, ehe ihr auf die Idee kommt, nachzusehen. Wir Freibeuter hören auf die Geschichten, die sich die Leute erzählen.»
    Henderson lächelte Engel an.
    «Das Haus wird seit Jahren zu einem lächerlich geringen Preis angeboten und findet doch keinen Käufer. Es heißt im Viertel nur das Grabhaus oder das Geisterhaus. Grund genug für mich, es einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Et voilà!»
    Er deutete auf die inzwischen neun Ossuarien, die vor dem Grabeingang standen. Jeweils zwei hintereinander, so wie sie auch in den engen Gängen angeordnet gewesen waren. Gerade brachten die Arbeiter die zehnte Truhe heraus. Einer von ihnen wischte sich den Schweiß von der Stirn und schaute zu Henderson herüber.
    «Das war das letzte, Chef. Bis auf das hinter der Mauer.»
    Um die Spannung, welches Geheimnis dieses verborgene Ossuarium vielleicht offenbaren würde, erträglicher zu machen, begannen sie, die anderen Knochentruhen genauer zu inspizieren. Sie waren alle fast exakt gleich gefertigt. Trotz der dicken Staubschicht war zu erkennen, dass sie schmucklos waren. Henderson hob den Deckel eines Kastens hoch.
    «Leer.»
    Die Enttäuschung war ihm anzumerken, obwohl er damit rechnen musste, denn größere Knochenfunde waren selten. Meistens enthielten die Behälter nur mikroskopisch kleine Knochensplitter.
    Auch Engel hob einen Deckel auf.
    «Dieser ist auch leer.»
    Henderson befreite die Vorderseite eines Ossuariums mit einem

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