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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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Skepsis prallte offenbar an ihr ab. »Ich habe dich mit eingerechnet.«
    Mit gleichmäßigen Bewegungen rührte sie im Topf. Schmale Schultern und ein gerader Rücken. Nur ein dünnes Top darüber. Eira warf einen Blick zum Fenster, gegen das jetzt starker Schneeregen peitschte. In ihrem Universum hingegen schien heute ein warmer Sommertag zu sein. Oder sie hatte ein enormes Bedürfnis, Haut zu zeigen, dachte Eira, verärgert über sich selbst, weil er sich überhaupt damit befasste.
    »Könntest du den Chili kleinhacken? Schließlich bist du ja der Mann mit dem Messer«, unterbrach sie seine Gedanken. Eine schmale Hand hielt ihm das Gemüsemesser hin, die Spitze auf seine Brust gerichtet. Bevor er etwas sagen konnte, hatte sie ihm erklärt, in welcher Form die Schoten geschnitten werden sollten. Also stellte er sich ans Schneidebrett und hackte Chili.
    Die Küchentür ging auf, Niillas war plötzlich da und starrte auf Victoria. »Was machst du da?« Eira selbst hatte wohl kaum skeptischer geklungen, als er vor knapp einer Viertelstunde angekommen war.
    »Deinem Vater beibringen, wie man Chili schneidet«, antwortete sie und gab Niillas einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Hast du alles bekommen?«
    Niillas nickte und Eira erkannte die kurze Nackenbewegung wieder, die typisch für den Jungen war, wenn er vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. »Ja.«
    Victoria sprach unbeirrt weiter: »Du kannst gleich mal denTisch decken und Reis aufsetzen. Dann ist das Essen in zwanzig Minuten fertig.«
    Sie hatte vollständig das Kommando übernommen. Voller Unmut wurde Eira klar, dass Vater und Sohn brav ausführten, was dieses barfüßige Wesen ihnen aufgetragen hatte.
    Eine halbe Stunde später saß er beim Essen und weinte, genau wie sie es vorhergesagt hatte. Eiras Geschmacksknospen waren ausgeschaltet, sein Mund fühlte sich an wie eine offene Brandwunde und die Tränen strömten unaufhaltsam hervor.
    »Ich hätte vielleicht Rücksicht darauf nehmen sollen, dass ihr nicht an diese Art von Essen gewöhnt seid. Obwohl ein Sprung ins kalte Wasser genauso gut sein kann.«
    Eira nickte nur, während er an einem Eiswürfel lutschte.
    »Du bist Kommissar?« Sie sah ihn aus halbgeschlossenen Augen an. Er nickte wieder. »Was für Fälle untersuchst du?«
    »Mord.« Niillas klang mürrisch.
    »Sonst nichts?«
    »Was zum Beispiel?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Raub, Drogen und so? Vielleicht auch diesen Brand?«
    »Ja, den auch«, sagte er, wenig erpicht darauf, das Thema zu vertiefen.
    »Cool. So was zu untersuchen. Ich find deinen Job spannend, Aslak.«
    Eira hob erschrocken den Blick vom Teller, aber Niillas war zum Glück die Saftflasche holen gegangen, die noch im Auto lag.
    »Danke für die Einladung.« Eira stand auf und begann lustlos, den Tisch abzuräumen.
    Victoria schwänzelte um ihn herum, die ganze Zeit etwas zu dicht. Er verstand nicht, was sie damit bezweckte. Forderte sie ihn heraus? Versuchte sie, ihn zu verdrängen, war er im Weg? Sollte er verschwinden, sodass die beiden ihre Ruhe hatten? Aber Niillas’Vorschlag, sich in sein Zimmer zurückzuziehen, hatte sie abgelehnt und stattdessen angeregt, dass sie alle zusammen im Wohnzimmer Kaffee trinken könnten.
    Dort betrachtete Victoria mit großem Interesse das halbfertige Messer, an dem Eira gerade arbeitete. Dann zog sie mehrere der samischen Bücher aus dem Regal und legte eine CD von Mari Boine ein. Nebenbei stellte sie neugierige Fragen zu der Schamanentrommel an der Wand.
    Eira fühlte sich belästigt. Victoria nahm zu viel Platz ein. So würde das Vater-Sohn-Verhältnis immer weiter den Bach runtergehen, das war Eira klar. Niillas war während des Kaffees immer stiller und verschlossener geworden. Auch ihm schien die Runde nicht gerade angenehm zu sein.
    Es reichte. Eira erhob sich mit einem Seufzer.
    »Gut, Leute. Ich muss noch mal zur Arbeit.«
    Sie stand gleichzeitig mit ihm auf. »Muss man bei der Polizei so spät noch arbeiten?«
    »Immer.«
    »Dumm. Ich würde dich so gerne besser kennenlernen.«
    Victorias Satz vibrierte in der Luft, bis sie erneut ansetzte: »Du bist ja schließlich Niillas’ Vater.«
    Sie jonglierte mit Worten. Warf sie risikofreudig in die Luft und fing sie elegant wieder auf. Möglicherweise spielte Victoria mit Eira, auf jeden Fall aber mit Niillas. Eira konnte es sich nicht anders erklären. Verwirrt murmelte er einen Abschiedsgruß und hastete zur Tür hinaus.

Kapitel 54
    Plötzlich war sein Büro zu einem Ort der

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