Im Auge des Feuers
Schlaf bekäme. Aus Niillas’ Zimmer drang kein Laut und Eira widerstand der Versuchung, stehen zu bleiben und an der Tür zu lauschen.
Auf dem Wohnzimmertisch brannte eine einzelne Kerze. Alle Lampen waren ausgeschaltet. Victoria saß auf dem Sofa und hatte den Kopfhörer des CD-Players auf. Niillas hatte seinen Kopf auf ihren Schoß gebettet und schien zu schlafen.
Plötzlich verstand Eira. Sie saß nicht wegen Niillas hier.
»Hallo«, flüsterte sie. »Konntest du arbeiten?« Das Lächeln, mit dem sie ihn bedachte, war wunderschön. Jeder Mann hätte sich für den großen Gewinner des Abends gehalten. Jeder außer Eira. Er fühlte sich kalt wie Eis. Victoria passte ganz und gar nicht hierher – weder in sein Wohnzimmer noch zu seinem Sohn.
»Ich glaube, es ist am besten, wenn du jetzt gehst.«
Sie legte den Kopf zurück und sah ihn aus halbgeschlossenen Augen an. Ihre Arme sanken seitlich hinunter, so als setze sie sich besser zurecht. Ihre Beine glitten ein kleines bisschen auseinander.
»Auf der Stelle!«
Sie rührte sich nicht. »Niillas schläft so gut.«
»Lass ihn schlafen. Ich fahr dich nach Hause.«
»Okay.« Sie rutschte vom Sofa und trippelte auf nackten Füßen aus dem Zimmer. Ihre Hand streifte im Vorbeigehen Eiras Schulter und ihre Augen ruhten eine Sekunde zu lange auf ihm. »Ich mach mich nur schnell fertig.«
Eira war schon auf dem Weg nach draußen, als er plötzlich stehen blieb und sich umdrehte. Niillas schlief fest und hatte keine Ahnung, was vor sich ging. Mit zwei Schritten war Eira bei ihm und zog ihn mit beiden Händen hoch. »Geh jetzt schlafen. Es ist nach halb eins. Ich fahr Victoria nach Hause, dann komm ich zurück. Okay?«
Niillas nickte schlaftrunken und sank wieder zurück.
Sie saß schon im Auto, als Eira herauskam. Wie beim letzten Mal fuhr er ohne ein Wort, den Blick starr geradeaus gerichtet und den Fuß fest auf dem Gaspedal.
»Was ist los, Aslak?« Ihre Hand berührte sein Knie. »Warum gehst du mir aus dem Weg?«
Vom Zusammenbeißen der Zähne schmerzte sein Kiefer. Er schob ihre Hand weg.
»Ist es schwierig wegen Niillas?«
»Genug, Victoria. Hör auf.«
»Warum gehst du mir aus dem Weg?«
»Was willst du mit deinem Spiel eigentlich erreichen?« Wegen der fest zusammengekrampften Kiefermuskeln bekam er die Worte fast nicht heraus.
Sie legte den Kopf gegen die Nackenstütze. Einige Minuten war es still.
Mittlerweile waren sie fast angekommen, und Eira begann langsam, sich zu entspannen.
Plötzlich stöhnte Victoria auf. »Ahh …«
Er warf ihr einen raschen Blick zu. Sie musste Schmerzen haben. Ihre Augen waren geschlossen und sie presste beide Hände auf den Bauch. »Was ist?«
Schwach schüttelte sie den Kopf. »Mein Bauch.« Sie öffnete den Sicherheitsgurt und krümmte sich.
Eira war jetzt in die Straße eingebogen, in der sie wohnte, und parkte ein. Er war vollkommen ratlos. Sie saß immer noch vornübergebeugt da und hatte die Stirn auf das Armaturenbrett gelegt.
»Soll ich dich zum Notarzt fahren?«
»Nein … nein.« Ihre Worte waren kaum hörbar. »Ich hab eine chronische Darmentzündung, mit der ich Gott sei Dank schon lange keine Probleme mehr hatte. Es muss das indische … Essen … gewesen sein … die Gewürze. Das geht vorbei.« Sie legte den Kopf auf seinen Oberschenkel. »Wenn ich nur hinein … komme. Und ins Bett.«
»Ich kann dich in diesem Zustand nicht allein lassen«, sagte er und spürte, wie sich seine Nackenmuskulatur wieder verhärtete. »Wir fahren zum Notarzt.«
»Nein!« Sie wimmerte eigenartig. »Ich hatte das schon oft. Drinnen hab ich Medikamente. Bring mich bitte einfach nur rein.«
Er half ihr vorsichtig aus dem Auto. Victoria stützte sich gänzlich auf Eira. Er hantierte ungeschickt mit den Schlüsseln, bekam die Tür endlich auf und ließ Victoria in Stiefeletten und Jacke aufs Sofa sinken. Sie wimmerte noch immer.
»Gib mir die Handtasche da.«
Er hob eine Tasche vom Boden auf. Sie holte eine Schachtel heraus und drückte zwei Tabletten aus dem Aluminium. »Die hier wirken ganz schnell. Ein Medikament, das die Entzündung hemmt.« Sie ließ die Tasche wieder fallen. »Kannst du mir helfen?« Sie zeigte auf die Stiefeletten.
Er zog ihr die Stiefeletten und die Lederjacke aus. Dabei rutschten die dünnen Träger ihres Tops bedenklich weit die Schultern hinab. Auf Eiras Stirn brach Schweiß aus. Versehentlich griff er etwas energischer zu.
»Immer mit der Ruhe, Aslak. Ich muss nur erst auf die
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