Im Auge des Feuers
hörte dem Kollegen am anderen Ende der Leitung aufmerksam zu und gab einige kurze Antworten. Dann beendete er das Gespräch. »Berger, du kannst dich wieder entspannen. Wir haben da etwasziemlich Interessantes. Die Fingerabdrücke auf den Škodaschlüsseln und auf dem abgebrochenen Besen sind identisch. Außerdem finden sie sich auch auf Magni Andersens Haustürschlüssel.«
Berger hob die Augenbrauen. »Hm. Klingt, als hätten wir die halbe Miete. Nur – sie wurden wohl noch nicht identifiziert?«
»Nein, aber überleg doch, das muss der Täter – oder die Täterin – sein. Der oder die Betreffende muss sich absolut sicher gewesen sein, nicht entdeckt werden zu können. Denn es wurden keine Handschuhe benutzt.«
Die Lichter der Stadt glitzerten in der Polarnacht.
»Gunhild hat Motive«, murmelte er versonnen. »Geld und auch Rache, weil Karl sie verlassen hat. Ich habe allerdings nie geglaubt, dass das Erbe der Grund war. Vielleicht schon eher Rache, aber selbst das ist zu schmalspurig gedacht.«
»Wie meinst du das, Eira?«
»Verlust von Ansehen. Der Versuch, Enthüllungen zu verhindern. Über unaufgeklärte Morde zum Beispiel.«
»Du sprichst in Rätseln, Eira!«
Er blickte geistesabwesend vor sich hin und bremste abrupt vor einer roten Ampel.
»Hör endlich auf damit! Mir wird wieder schlecht, wenn du so fährst!«
»Wir hatten da vielleicht einen kleinen Denkfehler, Berger«, sagte er leise. »Warum sollte Gunhild hier bleiben, wenn sie Karl getötet hat? Warum ist sie dann nicht schnurstracks nach Hause gefahren, sobald er tot war?« Er gab wieder Gas. »Sie wird immer so abweisend, wenn man danach fragt, weshalb sie die weite Reise auf sich genommen hat. Sagt, sie hätte höchst private Gründe.«
»Du glaubst also, dass sie nicht die Mörderin ist?«
»Sie wirkt in mancher Hinsicht kalt und skrupellos.«
»Aber eine Mörderin ist sie nicht?«
Er zuckte mit den Schultern. »Möglicherweise wollte sie etwasnachprüfen. Oder auf eigene Faust ein paar Untersuchungen anstellen. Es kommt mir fast so vor, als suche sie nach etwas. Das einzig Konkrete, was wir gegen sie in der Hand haben, ist, dass sie überall auftaucht. Besonders, wenn sonst gerade niemand zugegen ist. Die ältere Nachbarin glaubte, eine rot gekleidete Gestalt bei Magni gesehen zu haben.« Er starrte hinaus in den Verkehr. »Was hat sie nur in Pers Zimmer gemacht?«
Berger strich sich die Haare zurück. »Eventuell hat sie die Sachen, die dort lagen, durchsucht. Oder sie wollte nachsehen, ob sie etwas wiedererkennen würde. Wir wissen ja nicht, ob sie dort etwas Wichtiges gefunden hat.« Berger holte Luft. »Ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass Gunhild die aktuellen Ereignisse bereits sehr früh mit 1969 in Verbindung gebracht hat?«
»Sie hatte die ganze Zeit etwas zu verbergen«, bemerkte Eira. »Ich glaube, dass sie damals wirklich in dem brennenden Haus war. Fürchtet Gunhild, jemand könnte verraten, dass sie 1969 einen Mord begangen hat?«
Berger streckte ihre Beine aus. »Sie hat sich mit einer offensichtlichen Lüge Zugang zu Sverres Büro verschafft. Das war doch mehr als verdächtig.«
Er schlug mit der Faust aufs Lenkrad. »Verdammt, Berger, jetzt wird’s mir klar. Brandschutzkontrollen stand da auf den Ordnern in Sverres Büro! Und als ich mal Nancy fragte, wer … «
Er konnte nicht weitersprechen, weil sein Handy piepte.
Die SMS kam von Rita: Haus 8 in Hella. Hilfe!
Eira schlug Alarm.
Kapitel 77
Nancy Larsen hatte schon lange aufgehört zu weinen. Es war sinnlos. Sie hatte keine Ahnung, wie viele Stunden vergangen waren. Mit dicken Stricken war sie an einen Holzstuhl gefesselt worden und spürte mittlerweile kaum noch Arme und Beine.
Eine Zeit lang war reger Betrieb im Haus gewesen. Sie hatte aufgeregte Stimmen gehört. Mal ganz in der Nähe, dann wieder wie aus weiter Ferne. Aber keiner hatte sie entdeckt.
Nur wer sich gut auskannte, wusste, dass hinter dem letzten Kohlenkasten eine kleine Luke war. Durch sie gelangte man zum Heizungstank, und der Spalt zwischen diesem und der Wand bot gerade genug Platz für zwei Menschen.
Sie hatte die Stimmen und die Diskussionen über den Schwelbrand gehört und begriffen, dass sie vielleicht nicht überleben würde. Man hatte sie hier hinten perfekt versteckt, und vorne verrichteten Polizei und Feuerwehr nichtsahnend ihre Arbeit.
Dann hatten sie sich wieder in ihre Autos gesetzt und waren davongefahren. Als das letzte Motorengeräusch verklungen war,
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