Im Auge des Feuers
abweisend zu klingen. Im Augenblick war er nicht in der Stimmung, sich um ältere Damen mit großem Aufmerksamkeitsbedürfnis zu kümmern.
Wie viele andere hatte Eira sich die Untersuchungen rund um den großen Stadtbrand im Jahr 1969 schon vor langer Zeit angesehen. Das Feuer war in einem äußerst brandgefährdeten Gebiet mit alten Anlegern ausgebrochen. Es hatte bereits zuvor Pläne zum Abriss und für die Umgestaltung gegeben. Draußen im Sund war ein Schiff vorbeigefahren, und irgendjemand von der Besatzung hatte am Kai Personen beobachtet, vermutlich Betrunkene. Sie hätten sich angeblich in der Nähe des späteren Brandherds aufgehalten. Aber das war auch alles. Mehr hatten die Ermittlungen damals nicht erbracht.
Wahrscheinlich hatte die Feuerwehr einfach an der falschen Stelle mit dem Löschen begonnen und nicht dort, wo das Feuer am schnellsten um sich gegriffen hatte. Schlichtweg die Verquickung unglücklicher Umstände, dachte Eira. Ein Pyromane war nirgendwo erwähnt worden. Dieses Viertel war schließlich schon seit Jahrzehnten eine tickende Brandbombe gewesen.
»Ich sage Ihnen eins, Herr …?« Die Stimme der älteren Dame riss Eira aus seinen Gedanken.
»Eira. Aslak Eira.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Dass Sie Same sind.« Sieüberlegte kurz und sah ihn dann blinzelnd an. »Ja, Sie sind das. Der den Fall mit den Studentinnen im Frühling gelöst hat.«
Energisch legte sie ihm die Hand auf den Arm und hielt ihn zurück, als er sich in Bewegung setzen wollte. »Hören Sie, Eira. Ich habe viele Jahre die Büros der Fjelds geputzt. Wäre das Haus nicht abgebrannt, hätte ich für lange und treue Dienste den Königlichen Verdienstorden in Silber bekommen, das kann ich Ihnen sagen.«
»Tatsächlich?«
»Sie müssen mir nicht glauben. Das haben die Ermittler aus Oslo 1969 auch nicht getan, als sie mich befragten. Es ist gut möglich, dass sie Schwierigkeiten hatten, meinen Dialekt zu verstehen, denn sie haben rein gar nichts von dem, was ich erzählt habe, berücksichtigt. Ich höre es am Ton, wenn ich nicht ernst genommen werde. Also, ich war oft da, als kein anderer Außenstehender da war, und ich habe deutlich mitbekommen, wie die Fjelds sich hinter verschlossenen Türen gestritten haben.«
Sie richtete sich auf. Um ihren Mund zuckte es abschätzig. »Wissen Sie, für die war ich ja nur ein Teil des Inventars. Keiner hat sich die Mühe gemacht, sich zusammenzureißen, bloß weil ich in der Nähe war.«
Eira kämpfte mit widerstreitenden Gefühlen. Einerseits drängte es ihn, dem Wortschwall schnellstmöglich zu entkommen, andererseits war er jetzt neugierig geworden, ob sie tatsächlich neue Informationen über den Brand von 1969 liefern könnte.
»Wenn sie alleine waren, war nicht mehr viel von ihrer feinen Art zu erkennen. Sie haben gestritten, dass die Fetzen nur so flogen, und das ging bis hin zu Morddrohungen.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Doch, natürlich. Besonders die Brüder. Die haben nie miteinander gesprochen, außer wenn sie sich gezofft haben. Und ihre engelsgleiche Schwester war auch nicht ohne. Einmal …« Sie hieltinne und kniff den Mund zusammen, als habe sie plötzlich Redeverbot bekommen.
Eira legte fragend den Kopf schief. Mehr war auch nicht nötig.
»Einmal hat sie die beiden angeschrien, dass jemand sie abfüllen und über den Rand des Kais stoßen sollte, damit man sie los wäre.«
Eira hatte plötzlich genug. »Tja, was soll man dazu sagen? Ich glaube, bei einem Wutausbruch sagen einige von uns Dinge, die sie nicht so meinen. Außerdem ist das ziemlich viele Jahre her … Frau Andersen, ich bin im Dienst. Jetzt muss ich wirklich mal mit denen reden, die hier ihre Untersuchungen durchführen.«
»Ich hab ihn übrigens gesehen, an dem Abend 1969, als es brannte.«
»Ihn?«
»Karl Fjeld.«
»Das haben Sie den Ermittlern erzählt, nicht wahr?«
»Ja, sicher. Aber es ist nichts dabei herausgekommen, denn er ist ja bei dem Brand verschwunden.«
»Er ist dabei verbrannt.«
Sie nickte und sah Eira mit weit geöffneten Augen an. »Das haben sie alle behauptet. Jahrzehntelang. Aber jetzt werde ich Ihnen was sagen: Ob Sie es glauben oder nicht, ich hab ihn vorgestern früh wiedergesehen!«
Eira stutzte. »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen, Frau Andersen?«
Sie nickte eifrig.
»Wie alt sind Sie?«
»Fünfundsiebzig.«
Eira ließ sich einen Moment Zeit. »Sie haben gestern Karl Fjeld gesehen, der bei dem Brand 1969 gestorben ist?«
»Das hab
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