Im Auge des Feuers
du die Ausflüge dorthin gehasst hast. Plumpsklo. Kleine, harte Betten, feuchte und klamme Decken. Alles muffig. Kein Komfort. Du hast also nicht die Gelegenheit genutzt und sie verkauft?«
Johan stand immer noch auf der Treppe, eine Hand umklammerte das Geländer. Er antwortete nicht und Karl redete weiter: »Wage es nicht, sie zu verkaufen. Ich liebe diese Hütte. Hör mir zu, ich werde ab jetzt hier bleiben. Nach dem Wochenende werde ich die Behörden benachrichtigen, dass ich zurück bin. Du kannst gerne mitkommen. Dann wirst du alle Einzelheiten erfahren. Die Aufregung wird sich schon legen, aber die Hütte werden wir in Zukunft sicher gut brauchen können. So eine Wiedervereinigungist eine anstrengende Angelegenheit. Wir werden alle Erholung nötig haben.«
Johan starrte ihn bloß an.
»Ich werde morgen Nachmittag dorthin fahren.« Karl ging an Johan vorbei die Treppe hinauf. Ein schwacher Geruch nach Verbranntem schien mit ihm vorüberzuziehen und rief bei Johan Gänsehaut hervor. Kurz darauf war das Knarzen der Bodendielen, dann das der Matratze zu hören.
Johan stand noch an derselben Stelle. Sog weiterhin den Atem durch die Nase ein, aber der Geruch war nicht mehr da. In Karls Zimmer wurde es still. Johan schleppte sich Stufe für Stufe langsam nach oben.
Kapitel 10
Es war noch nicht halb acht, als Eira am Eingang zur pathologischen Abteilung des Krankenhauses vorfuhr. Um ihn herum war es stockfinster. Der Parkplatz war so früh am Morgen noch fast leer. Eira unterdrückte ein Gähnen und ging mit steifen Schritten zum Eingang. Das Krankenhaus grenzte an ein Naherholungsgebiet. Der Wald hinter dem Gebäude erinnerte ihn daran, dass er genau jetzt aufgestanden wäre, Kaffee gekocht, Brote für unterwegs geschmiert und dabei mit Niillas gefrühstückt hätte. Dann hätte er Rucksack und Gewehr ins Auto geworfen und wäre in die Freiheit gefahren. Ins Gebirge, wo es frische Luft und hoffentlich eine Menge Schneehühner gab. Verdammt . Er hämmerte mit der Faust gegen die Bürotür des Gerichtsmediziners Vennestad.
»Ist es nötig, mir die Tür einzuschlagen, Eira?« Vennestad war noch in Zivil. Er musterte Eira. »Du meine Güte! Ich sollte vielleicht besser nichts mehr sagen. Ich sehe Ihnen an, dass etwas passiert sein muss.«
»Meine Schneehuhnjagd ist ins Wasser gefallen.«
Vennestad schob die Brille auf die Stirn. »Ach, du lieber Himmel. Na, dann versteht es sich ja von selbst. Wir werden alle versuchen, Rücksicht zu üben, Eira.« Er räusperte sich. »Ich bin schon informiert worden. Wir haben einen Toten hereinbekommen. Weiß man, wer er ist?«
»Noch nicht.«
Vennestad nickte mitfühlend. »Was halten Sie davon, wenn Sie schon mal zum Obduktionssaal gehen und die Schutzkleidung anlegen? Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen. Ich bin in ein paar Minuten da.«
Eira machte mit dem unbestimmten Gefühl kehrt, dass Vennestadetwas ganz anderes gesagt hatte, als bei ihm angekommen war.
Eine gefühlte Ewigkeit murmelte und leierte sich Vennestad durch Röntgenbilder und vorläufige Probenergebnisse. Eira konnte sich nicht erinnern, dass eine Obduktion jemals so lange gedauert hatte. Die Schlussfolgerung war hart erkämpft.
»Nun, ziemlich viele der inneren Organe des Mannes sehen nicht gut aus, aber das hat nichts mit dem Brand zu tun, also werde ich Sie nicht damit aufhalten.«
»Danke, Vennestad.«
Vennestad ließ die Handschuhe in den Eimer fallen. »Entscheidend ist, dass er am Leben war, als das Feuer ausbrach. Der Tote war stark verbrannt und starb an dem Rauch und der Gasentwicklung. Das Feuer scheint also die direkte Ursache für den Tod des Mannes gewesen zu sein.«
»Und der Zeitpunkt?«
»Es ist schwierig, ihn genau zu bestimmen. Aber der Brand wurde gegen zwei Uhr gemeldet, was sehr gut passen könnte. Also irgendwann zwischen Mitternacht und drei Uhr.« Er studierte seine Unterlagen. »Ein relativ hoher Promillewert. Kein einziges Zeichen dafür, dass ihm jemand auch nur ein Haar gekrümmt hätte. Weder Schlag- noch Bruch- oder Stichverletzungen, soweit wir sehen können. Es ist möglich, dass er bei Ausbruch des Feuers geschlafen hat und nicht mehr aufgewacht ist.«
Die Stadt war zum Leben erwacht und der Vormittagsverkehr auf seinem Höhepunkt. Eira fuhr durchs Zentrum und kam an dem abgebrannten Gebäude vorbei. Es stand wie ein futuristisches Monument aus Stahl und verbranntem Holz direkt am Rand des Kais. Die letzten Löscharbeiten waren beendet und die
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