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Im Auge des Feuers

Im Auge des Feuers

Titel: Im Auge des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorun Thoerring
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Brandtechniker standen bereit, um mit den Untersuchungen im Gebäudeinneren zu beginnen.
    In den wenigen Stunden mit Tageslicht hob sich der Himmel jungfräulich rein und blau von der schwarzen, rauchenden Fassade ab. Eira hielt vor der Absperrung. Sverre Wikan unterhielt sich gerade mit ein paar Feuerwehrmännern. Die Frau, die sich neben ihn gestellt hatte, bemerkte Eira erst, als sie ihn ansprach.
    »Ist das nicht total verrückt? Was soll man eigentlich glauben?«
    Eira betrachtete sie zerstreut. »Wie meinen Sie das?«
    Sie trug einen dunkelblauen Popelinmantel im klassischen Fünfziger-Jahre-Stil. Dazu passten auch die flachen, braunen Schuhe. Eine geräumige Einkaufstasche aus abgenutztem Kunstleder baumelte an einem Arm. Sie sah aus, als wollte sie gleich einige Geschäfte stürmen. Aber die Läden würden frühestens in über einer halben Stunde öffnen. Ihre kleinen, etwas blassen Augen schwirrten umher – von der Brandstelle zur Wachmannschaft und weiter zu den Leuten von der Spurensicherung. Im Übrigen waren die Augen das einzig Kleine an ihr. Ansonsten war sie eine große, kräftige Frau, die im Gespräch mit Eira zu ihm hinunterblicken musste.
    »Bei diesen Bränden geht es nicht mit rechten Dingen zu. Die Insel ist von Wasser umgeben, es regnet oder schneit die meiste Zeit des Jahres, trotzdem brennt es ständig.« Ihre Augen streiften kurz sein Gesicht. »Ich sag, es ist wieder ein Pyromane. Und ich habe das voriges Mal auch schon gesagt, als die halbe Stadt abgebrannt ist. Nichts haben sie damals herausgefunden, keiner wurde festgenommen.«
    Eira schaute sie stumm an und nickte ungeduldig.
    »Nein, nein, mein Lieber, es ist mir klar, dass Sie nichts darüber wissen können. Wo Sie herkommen, habe ich sofort gesehen. Aber es ist nun mal so: Wenn einflussreiche Leute in etwas verwickelt sind, geht es nicht vordringlich darum, den Täter zu fassen. Man hält lieber alles ganz klein, nur keinen Wind machen. Sie und ich hingegen, wir würden für die gleiche Tat lebenslänglich sitzen. Eskommt eben immer darauf an, wer sich was zuschulden kommen lässt.« Sie hatte die Stimme verschwörerisch gesenkt.
    »Wovon reden Sie, Frau …?«
    »… Andersen. Magni Andersen.« Sie strich sich mit den breiten Händen über die Taschen ihres Popelinmantels und schnalzte mit der Zunge. Ihr künstliches Gebiss passte nicht mehr hundertprozentig in den alternden Mund und löste sich ein Stück weit, wenn sie vor Eifer zu schnell sprach.
    Sie hob einen knochigen Finger und zeigte auf Sverre Wikan. »Ach, übrigens, schauen Sie sich mal den dort drüben an, der gerade den Job als Brandermittler bekommen hat. Damals, als es richtig gebrannt hat, war er auch schon dabei. Wussten Sie das? Zwar noch ein Junge, aber mitten im Geschehen.«
    Jetzt beugte sie sich etwas nach vorne, um auf Augenhöhe mit Eira zu gelangen. Ein muffiger Geruch nach ranzigem Fett und Kampferdrops ging von ihr aus. Ihre spezielle Redetechnik erlaubte es ihr, sowohl beim Ein- als auch beim Ausatmen zu sprechen. Sie öffnete ihre Tasche und holte ein großes, zerknülltes Taschentuch heraus. Damit schnäuzte sie sich lautstark. Eira registrierte, wie wohltuend diese kurze Unterbrechung war. Er hätte jetzt die Möglichkeit gehabt, dem Redeschwall zu entkommen, blieb aber trotzdem stehen.
    »Sie sagten vorhin mal etwas von einem Pyromanen. Wo haben Sie das denn gehört?«, fragte er beiläufig. »Solche Brände mit ungeklärter Ursache lassen ja meistens die Gerüchteküche brodeln.«
    Zum ersten Mal blickte sie Eira direkt in die Augen. »Gerüchte? Hat man so was schon gehört!« Sie stopfte das Taschentuch wieder in die Tasche. »Ich wiederhole bloß, was alle anderen erzählt haben, Dinge, die man eben wusste. Der Brand damals wurde gelegt, so einfach ist das. Er ist unten am Kai ausgebrochen. Aber meinen Sie, irgendjemand hätte das genauer nachverfolgt, sodass der Schuldige erwischt worden wäre?«
    Sie rückte einen Schritt näher und senkte die Stimme. »Warum ist danach nichts passiert? Man hat bloß die Flammen gelöscht und ein paar riesige Bulldozer herangekarrt. Bevor man die verrußte Wäsche von der Leine geholt hatte, war alles wieder hübsch und ordentlich. Dann ist der König zum Stadtjubiläum gekommen, die Leute haben gestrahlt und alles war vergessen.«
    Eira seufzte unhörbar und knöpfte die Jacke bis zum Hals zu. »Es scheint mir, als habe da jemand aus einer Mücke einen Elefanten gemacht«, sagte er und versuchte, dabei nicht

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